Dollbohrer!
gut es doch tat, sich mit einem Menschen auf Augenhöhe auszutauschen! Und morgen würde er Lotte ansprechen. Oder ihr zumindest zur Abwechslung mal den Pfeffer hinstellen.
Platoon
»Das erste Opfer des Krieges ist die Unschuld« lautet der Untertitel des Romans von Dale. A. Dye, der nach dem Drehbuch zum gleichnamigen Film von Oliver Stone geschrieben wurde. Was vermutlich richtig, allerdings auch das Einzige ist, was bezüglich Film und Buch stimmt!
Gefechtspause. Spätestens in fünfzehn Minuten würde man wieder angreifen. Der Gegner war zäh und widerstandsfähig, da konnte man sich keine Verschnaufpausen oder unüberlegtes Handeln erlauben. Und während die Frauen und Männer hier, nur ein paar Meter von der Front entfernt, mit ausdruckslosen Gesichtern und fast schon mechanisch die Magazine ihrer Schnellfeuergewehre durchluden, sich die Gürtel mit neuen Handgranaten behängten, rasch einen Schluck Wasser tranken und ihren Lieben daheim per SMS die vielleicht letzte Nachricht ihres Lebens schickten, versuchte Erdmann nicht nur die Übersicht zu behalten, sondern vor allem auch Ruhe auszustrahlen. Denn schließlich war das hier sein Corps, seine Truppe. Auf ihn hörten sie hier, denn nach all den Jahren an der Front war sein jetziger Erfahrungsschatz unbezahlbar! Dünkweber, der einen Dienstgrad unter ihm rangierte und ihm stets unauffällig, aber effizient zur Seite stand, gab mit einem klaren »Achtung!« allen zu verstehen, dass Erdmann etwas zu sagen hatte. Sofort verstummte auch das letzte Gemurmel.
»Respekt, Leute, Respekt! Das sind harte Brocken da auf der anderen Seite, aber noch ein paar Angriffe, und ihr habt die Sache für euch … oder besser gesagt: für uns entschieden! Bald habt ihr sie! Weil ihr sie abnutzt, sie mit eurer Präsenz aushöhlt. Und ich will euch sagen, wie großartig ihr seid und wie dankbar ich bin, solche großartigen Leute um mich zu haben!«
Die müden Augen seiner Untergebenen schauten ihn dankbar an. Ein junger Mann mit dünnem blondem Haar schluckte kurz, sichtlich bemüht, die Fassung zu wahren.
»Einmal habe ich schon gedacht, sie haben mich! Ich hab echt gedacht, das war’s!«
Erdmanns Blick machte ihm allerdings klar, dass sein Vortrag damit bereits auch schon wieder beendet war. Weicheier konnten sie hier nicht gebrauchen, nicht in diesem Krieg! Der schon Ewigkeiten zu toben schien und genauso sinnlos war wie all die anderen Kriege zuvor. Sich aber über Sinn und Unsinn Gedanken zu machen, war nichts für solche Tage, und schon gar nichts für die, die mittendrin steckten. Und genauso wenig war es von Nutzen, sich über die auf der anderen Seite den Kopf zu zerbrechen. Dass das vielleicht auch Menschen waren, mit Familien, mit Gefühlen. Denn genau so was nährte letztendlich nur die eigenen Schwächen. Was man sich definitiv nicht erlauben konnte, wenn es um das eigene Überleben ging.
Wann hatte das eigentlich angefangen? Und wie? Hätte man jeden Einzelnen gefragt, jeder hätte etwas anderes erzählt. Die Wahrnehmung eines Krieges und seiner Gründe war von jeher auch etwas sehr Subjektives, etwas sehr Individuelles! Je größer eine Armee umso höher die Zahl der verschiedenen Empfindungen und Motive, da täuschte auch die Zugehörigkeit zum selben Befehlsgeber nicht drüber hinweg.
Waren es früher ausschließlich die Männer gewesen, die man an die Front schickte, waren jetzt auch viele Frauen dabei. Die, so hatte es Erdmann beobachtet, nicht nur oftmals weniger zimperlich, sondern erstaunlicherweise sogar brutaler zu Werke gingen. Da hatte sich im Laufe der Jahrzehnte eine Menge geändert. Dem Privatmann Erdmann war das zwar nach wie vor suspekt, dem Truppenführer Erdmann aber kam das selbstverständlich gelegen.
Auch jetzt, in dieser kurzen Gefechtspause, wirkten viele der weiblichen Kämpfer entschlossener, ja auch wütender als viele der männlichen.
Ein letztes Mal erhob ihr Anführer die Stimme.
»Wenn ihr da jetzt wieder rausgeht, dann passt auf euch auf! Denkt daran, dass eure Familien auf euch warten. Eure Frauen und Männer, eure Kinder! Aber wenn trotzdem einem von euch etwas zustoßen sollte, dann will ich, dass ihr wisst, dass das nicht umsonst war! Das hier ist richtig, und dafür kämpft ihr! Für das Richtige! Und ich bin sicher, dass Gott das auch so sieht!«
Jetzt standen alle seine Leute in Reih und Glied vor ihm. Schauten ihn ernst an, wohl wissend um die Schwere, aber auch die Bedeutung der Lage. Eine Sirene heulte. Erdmann
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