Dolly - 02 - Wirbel in Klasse 2
in Französisch helfen – aber das war nach Meinung der Mädchen auch alles.
“Dein Eifer in Ehren”, sagte Dolly zu Marlies, “aber du nimmst ihr ja fast die gesamten Französisch-Arbeiten ab. Das ist die reinste Mogelei von Diana.”
Doch Marlies ließ sich nicht beirren. “Ich bin dankbar, wenn ich auch mal jemandem helfen kann”, erwiderte sie. “Und außerdem mag mich Diana wirklich gern!”
“Susanne und ich mögen dich auch!” sagte Dolly, die ziemlich erbittert darüber war, daß Marlies an dieser falschen Diana hing.
“Ja, ich weiß. Aber ihr schleppt mich nur immer so mit, wie man ein Schoßhündchen mitschleppt. Ihr tut es aus Gutmütigkeit. Diana bin ich eine wirkliche Hilfe. Doch wenn ihr glaubt, sie mag mich nur, weil ich ihr in Französisch helfe, habt ihr euch geirrt!”
Dolly war fest überzeugt, daß Diana sich lediglich aus diesem Grund mit Marlies angefreundet hatte. Aber das stimmte wirklich nicht ganz. Diana mochte Marlies jetzt sehr gern. Sie wußte selbst nicht recht, warum – vielleicht lag es daran, daß Marlies so unaufdringlich, so scheu, so hilfsbereit war. Sie ist wie ein kleines Kätzchen, das man beschützen möchte, dachte Diana.
Man kann gar nicht anders, man muß so ein Kätzchen gern haben!
Sie fand bei Marlies ein williges Ohr für ihre Erzählungen, in denen sie von ihrem sagenhaften Reichtum prahlte. Marlies lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit. Das kleine Mädchen war stolz darauf, daß so eine bewundernswerte Person wie Diana sie überhaupt beachtete…
Ellen war eineinhalb Wochen vom Unterricht ferngeblieben. Die letzten sechs oder sieben Tage hatte sie sich besonders darüber gegrämt, daß Jenny ihr keine Schularbeiten ans Bett bringen durfte. Nun kehrte sie wieder bleich und ein bißchen abgemagert in die Klasse zurück. Ihre Augen hatten einen trotzig-entschlossenen Ausdruck.
Sie mußte das Versäumte unter allen Umständen nachholen! Und wenn sie um sechs Uhr morgens aufstehen und bis in die tiefe Nacht mit einer Taschenlampe unter der Bettdecke büffeln müßte!
Sie fragte Fräulein Parker, ob sie Nachhilfestunden bei ihr nehmen könnte.
“Nein, Ellen”, erwiderte die Lehrerin. “Du bist noch nicht einmal in der Lage, wieder mit vollen Kräften zu arbeiten, geschweige denn Nachhilfestunden zu nehmen. Mach dir keine Sorgen – wir erwarten jetzt keine Glanzleistungen von dir.”
Ellen ging zu Mademoiselle Dupont und sogar zu Mademoiselle Rougier. “Können Sie mir nicht helfen, die versäumten Französischstunden aufzuholen?” erkundigte sie sich mit flehendem Ausdruck in den Augen.
Die Mademoiselles weigerten sich aber ebenfalls. “Du bist noch viel zu schwach, mon enfant !” sagte Mademoiselle Dupont. “Du brauchst dich doch jetzt nicht als Musterschülerin zu erweisen – nimm die Dinge ein bißchen leichter!”
Die arme Ellen war ganz verzweifelt. Niemand wollte ihr helfen. Alle schienen sich gegen sie verschworen zu haben.
Und in zehn Tagen begannen die Prüfungen! Ellen hatte sich sonst nie vor Prüfungen gescheut, aber vor diesen fürchtete sie sich geradezu. Sie konnte gar nicht verstehen, daß die Mädchen sogar über die bevorstehenden Zeugnisse ihre Witze rissen.
Dann kam ihr plötzlich eine böse Idee – ein ganz schlechter Gedanke, den sie zuerst sofort wieder verdrängte. Aber er kam wieder und setzte sich immer hartnäckiger in ihrem Kopf fest.
Wenn ich doch die Prüfungsbogen sehen könnte, bevor sie ausgegeben werden! Wenn ich darauf die Fragen lesen könnte und vorher wüßte, welche Aufgaben man mir stellen wird, dachte sie.
Ellen hatte niemals in ihrem Leben betrogen. Das hatte sie auch nicht nötig, denn sie war gescheit und außerdem fleißig. Wenn man aber einfach nicht konnte, wenn etwas dazwischengekommen war und man nicht einmal Gelegenheit hatte, sich das notwendige Wissen zu erarbeiten – war es dann überhaupt Betrug, wenn man versuchte, sich einen guten Platz und gute Zensuren zu sichern?
Es ist selten, daß ein anständiger Mensch solchen Versuchungen nachgibt.
Aber bei Ellen geschah es.
Es ist leicht, nicht zu betrügen, wenn man nicht zu betrügen braucht. Aber wenn man sich nicht mehr zu helfen weiß?
Ellen konnte sich diese Gedanken nicht mehr aus dem Sinn schlagen. Sie begleiteten sie überallhin…
Eines Tages sah sie in Fräulein Parkers Zimmer etwas auf dem Schreibtisch, was sie für einen Prüfungsbogen hielt. Rasch huschte sie näher und las die Fragen, die auf dem Bogen standen.
Wie einfach sie zu
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