Dolly - 05 - Dollys großer Tag
glorreich aufzusteigen in die Sechste.”
„Martina und mir macht das gar nichts aus”, warf Katja ein. Dabei setzte sie eine Miene auf, als gösse sie Öl auf sturmbewegtes Wasser. Die Mädchen stießen sich unter dem Tisch an. „Schließlich muß ab und zu mal eine durchfallen – und für die nächste Klasse ist das immer eine große Hilfe. Findet ihr es nicht auch gut, daß ein paar alte Klassenmitglieder den Neuen helfen können, die Tradition fortzuführen?”
„Ah ça –- c’est bien dit!” sagte Mademoiselle. „Sehr gut gesagt, Katja.”
Von den Mädchen war niemand der gleichen Meinung.
Die Mädchen aus der Fünften gingen eine Viertelstunde später zu Bett als die aus der Vierten. Diese fünfzehn Minuten bedeuteten ihnen viel. Sie schwatzten und machten alle möglichen Pläne für die nächste Zeit.
„Schade, daß wir nicht mehr Fräulein Wagner haben”, sagte Susanne, die ihre frühere Klassenlehrerin sehr gern gehabt hatte. „Ich weiß nicht, ob…”
Die Schlafsaaltür öffnete sich, und jemand blickte herein. Es war Conny, Ruths Zwillingsschwester.
„Ruth! Geht es dir gut?” fragte sie. „Es ist ein komisches Gefühl, nicht mehr mit dir zusammen zu sein. Wirst du allein fertig? Hast du dein…”
„Conny!” platzte Alice heraus. „Was soll das? Du kommst einfach in unseren Schlafsaal, während du längst im Bett sein solltest! Raus mit dir!”
Conny blieb hartnäckig im Türrahmen stehen. Sie war von jeher eigensinnig gewesen. „Ich will nur sehen, wie es Ruth geht”, sagte sie. „Wir waren noch nie getrennt und…”
„Raus!” schrien alle im Chor, und Irene fuchtelte wild mit ihrer Haarbürste herum und stieß dabei Britta fast ins Auge.
Aber noch hielt Conny ihre Position. Ihre Augen suchten Ruths Gesicht. Doch das trug einen trotzigen Ausdruck.
„Ruth”, drängte Conny. „Sag doch was! Steh nicht so rum. Ich bin nur gekommen, um…”
„Raus!” sagte Ruth, und alle sahen sich erstaunt an. Das hatte niemand erwartet. Ruth war immer nur ein Schatten gewesen. Wer hätte gedacht, daß sie sich von Conny etwas nicht gefallen ließ!
„Ich weiß, daß du meine Zwillingsschwester bist und daß wir immer zusammen waren”, sagte Ruth lauter als nötig. „Aber ich bin jetzt in der Fünften, und du bist in der Vierten. Du kannst nicht immer hinter einem Fünftkläßler herrennen, das weißt du. Laß mich in Ruhe und verschwinde! Es ist höchste Zeit.”
Conny blieb vor Erstaunen der Mund offenstehen, dann drehte sie sich um und verließ wortlos den Raum. Ruth setzte sich auf ihr Bett.
„Das hast du gut gemacht”, sagte Dolly herzlich. „Du mußt ein bißchen selbständiger werden, Ruth, sonst fängt Conny wieder an, dich herumzukommandieren.”
„Ich weiß”, sagte Ruth kläglich. „Aber ich… ich habe sie sehr gern, weißt du… ich habe das gar nicht gern gesagt. Sie hätte aber auf niemand anders gehört. Und schließlich kann ich sie doch nicht immer als Anhängsel der Fünften laufen lassen. Oder? Arme Conny.”
„ Raus mit dir, Conny!” schrien alle im Chor
„So arm ist sie gar nicht”, meinte Dolly. „Glaub das nur nicht. Die hat Standvermögen für drei! Und sie gibt auch nicht leicht auf.”
„Sehr richtig”, sagte Alice.
„Ich habe auch so eine Schwester in der Vierten”, fiel Martina unerwartet ein. „Eine zähe Nuß, wie sie es nur selten gibt. Sie ist wie ein Gummiball – man sitzt darauf und zerquetscht ihn, aber er springt umgehend in seine alte Form zurück.”
„Wie heißt sie?” fragte Dolly. „Oh, warte, ist es nicht Birgit?”
„Ja”, antwortete Martina. „Sie und Conny müßten ein wunderbares Paar abgeben!”
„Na, hoffen wir, daß Conny und Birgit sich zusammenfinden”, sagte Alice. „Sie können sich die Hörner gegenseitig ein bißchen abstoßen.”
Schließlich lagen alle im Bett. Dolly hatte Margret als Nachbarin. Sie sagte ihr „Gute Nacht”, ebenso Susanne, die auf ihrer anderen Seite schlief, und schloß die Augen. Nach einer Weile schob sie ihre Daunendecke zurück. Die Nacht war warm. Da hörte sie ein Schluchzen aus dem Nachbarbett.
Das kann doch nicht Margret sein, die wie jede Neue heult? dachte Dolly erstaunt. Sie drehte sich um und horchte.
„Margret! Was um Himmels willen ist los?” flüsterte Dolly. „Du hast doch nicht etwa Heimweh? In deinem Alter?”
Zitternd antwortete Margret. „Es geht mir in der ersten Nacht immer so. Ich denke an Papa und Mama und was sie wohl zu Hause machen. Ich bin sehr
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