Dolly - 12 - Die juegste Burgmoewe
Landschulheim so etwas möglich ist!“
„Nun – es hat wohl mit zwei Dingen zu tun“, antwortete Ellen lächelnd. „Einmal ist es das Möwennest, die zahlreichen Hauswirtschaftsschülerinnen, die für die kulinarischen Genüsse sorgen, wie es unseren guten Köchinnen hier in der Burg allein wohl nicht möglich wäre. Zum anderen – und das ist das Wesentliche – ist es die Persönlichkeit unserer verehrten Frau Greiling. Sie wird geliebt und bewundert, weit über das normale Maß hinaus. Und entsprechend sind die Anstrengungen, ihr diesen Tag so unvergeßlich wie möglich zu gestalten.“
„Ja, das wird es wohl sein. Ich muß gestehen, ich habe erst gezögert, Lehrer in einem Landschulheim zu werden. Aber jetzt bin ich froh und stolz, daß ich dazugehöre. Zu der Schule, von der man nicht nur sagt, daß sie die beste des Landes sei, sondern in der auch die schönsten Feste gefeiert werden. Und…“, der junge Lehrer sah der Kollegin tief in die Augen, „…in der es die nettesten und hübschesten Kolleginnen gibt. Und damit meine ich ganz sicher nicht Fräulein Sauer“, fügte er grinsend hinzu. Ellen Wieland wurde ein bißchen rot.
„Ach, wirklich nicht?“ sagte sie lachend. „Ich hätte geschworen, daß Sie für sie eine besondere Sympathie hegen, nachdem sie Sie gestern in der Lehrerkonferenz so heruntergeputzt hat!“
Die Zwillinge sind verschwunden
Von diesem Tage an verbrachten Ellen Wieland und Franz Wollen ihre Freizeit oft gemeinsam. Sie machten lange Spaziergänge, trafen sich für einen Kino-oder Restaurantbesuch in der Kreisstadt oder sahen sich bei Dolly und Klaus.
Dolly ahnte, was sich da angebahnt hatte, aber da Ellen ihr gegenüber kein Wort über ihre Gefühle für Dieter Wollen verlor, schwieg sie – auch zu Klaus. Ellen und Dieter Wollen ließen sich vor den anderen nicht anmerken, wie sie zueinander standen, sie behandelten sich freundlich-distanziert und wie gute Kollegen. Liebesaffären unter Lehrern waren streng verpönt, und die beiden taten alles, um nicht den leisesten Verdacht aufkommen zu lassen, es könne mehr zwischen ihnen sein, als eine kollegiale Freundschaft.
Die schönen Herbsttage waren vorüber, und um die Burg fegte ein stürmischer Wind. Der Regen klatschte gegen die Scheiben, und wer nicht unbedingt ins Freie mußte, blieb im Haus.
Zwei Wochen nach dem rauschenden Geburtstagsfest wurde Dolly zur Direktorin gerufen.
„Ich habe schlechte Nachrichten für zwei Ihrer Zöglinge, Dolly. Es bedrückt mich, daß wir so gar nichts tun können, ich zermartere mir schon den Kopf, aber ich sehe keinen anderen Weg, als das Mädchen herauszugeben.“
„Sie meinen Isabella und Charlotte?“ fragte Dolly und blickte erschrocken auf den Brief, den die Direktorin in der Hand hielt.
„Ja. Ich habe hier ein Schreiben des Rechtsanwaltes, der den Vater der Mädchen vertritt. Der Vater besteht darauf, daß Isabella in das Internat zurückkehrt, das er für sie ausgesucht hat. Isabella wird übermorgen von ihm abgeholt und dorthin gebracht.“
„Mein Gott!“
Dolly wurde blaß und ließ sich auf den für Besucher bereitstehenden Stuhl fallen.
„Das darf man nicht machen, es ist so eine sinnlose Grausamkeit gegen die beiden Mädchen!“ sagte sie zornig. „Wie kann man gegen Kinder nur so verantwortungslos handeln!“
„Mir tut es auch weh, die Kinder auseinanderzureißen. Abersehen Sie eine andere Möglichkeit?“
„Nein“, gab Dolly kleinlaut zu. „Wenn ich nur wüßte, wie ich es den beiden Mädchen beibringen soll…“
„Sagen Sie vorerst nichts. Wir wollen gemeinsam versuchen, auf den Vater der Mädchen einzuwirken. Vielleicht, daß er sich in einem persönlichen Gespräch doch noch umstimmen läßt. Wenn er erst einmal sieht, wie glücklich Isabella hier in Möwenfels ist…“
„Wenn er so ist, wie die Mädchen ihn beschreiben, sehe ich wenig Chancen. Wenn er in Isabellas Hiersein nichts sieht, als einen unverdienten Sieg seiner geschiedenen Frau… trotzdem, wir müssen es versuchen. Wann will Herr Morell kommen?“
„Übermorgen um drei Uhr nachmittags.“
„Gut, ich werde dafür sorgen, daß die Mädchen drüben im Möwennest sind, damit wir erst einmal allein mit ihm sprechen können. Hat alles nichts genützt, sind Isabellas Koffer schnell gepackt. Wenn er fragt, warum wir ihre Abreise nicht vorbereitet haben, werde ich ihm erklären, es sei aus Vorsicht geschehen – um zu vermeiden, daß die Kinder weglaufen.“
„Das ist gut. Ich bin ohnehin nicht ganz
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