Dolly - 12 - Die juegste Burgmoewe
beklommen
„Hör zu, wir nehmen unsere Sachen und ziehen uns draußen auf der Treppe an. Da kann uns niemand hören“, sagte Charlie. „Wir schleichen im Nachthemd hinaus, und wenn eines der Mädchen wach wird, sagen wir einfach, wir müßten mal.“
„Und wenn wir es ihnen sagten? Sie verraten uns bestimmt nicht!“ meinte Isabella.
„Wir würden sie damit zwingen zu lügen, das wäre nicht gut. Klar wären sie auf unserer Seite und täten alles, um uns zu helfen – aber es ist besser so, glaub mir.“
„Wahrscheinlich hast du recht. Wir brächten sie in eine verzwickte Lage, wenn Pöttchen sie ins Verhör nimmt.“
„Wir können froh sein, wenn sie es nicht auch so merken. Psst! Da kommt jemand!“
Charlie schob ihren Rucksack unter das Bett und zog die Decke darüber. Dann angelte sie sich Block und Bleistift vom Nachttisch und tat, als mache sie sich Notizen.
Isabella griff zu ihrem Nähzeug und begann eilig, einen Strumpf zu stopfen.
Tatsächlich merkte niemand, wie die beiden nachts den Schlafsaal verließen. Und als die Mädchen morgens vom Läuten der Glocke hochschreckten und sich verschlafen die Augen rieben, waren Charlie und Isa schon viele Kilometer weit weg.
„Was ist mit den Zwillingen los? Die Vorhänge zugezogen, und nichts rührt sich – was soll das heißen?“ fragte Gloria verwundert, als sie vom Waschbecken zurückkam.
„He, ihr Schlafmützen! Aufwachen!“ Gusti riß mit einem Ruck den Vorhang von Charlies Bett zurück. „Na so was! Keiner drin!“
„In Isas Bett auch nicht! Wo stecken die beiden?“ Olly sah fragend zu den anderen hinüber.
„Vielleicht sind sie früher aufgestanden, um noch für die Englischarbeit zu pauken“, sagte Vivi gleichmütig. „Sicher sitzen sie drüben im Gemeinschaftsraum.“
„Das ist möglich.“
„He, Olly, spinnst du? So was tut man nicht! Andrer Leute Briefe lesen!“
„Weiß ich selber. Mir ist da nur was aufgefallen…“
„Was denn?“
Olly las mit weit aufgerissenen Augen, dann schob sie das Blatt schnell in Isabellas Schublade und stieß sie heftig zu.
„Vergeßt es. Vergeßt es ganz schnell.“
„Was denn? Was hast du?“
„Ich muß mich beeilen“, sagte Olly gleichmütig. „Du hast recht, Vivi, sicher pauken sie für die Englischarbeit.“
Die Mädchen machten sich weiter keine Gedanken über die Zwillinge. Erst, als die beiden auch beim Frühstück fehlten, erinnerten sie sich an die leeren Betten.
„Wo sind Isabella und Charlotte?“ fragte Fräulein Pott, als sie am Tisch der Zweiten vorbeiging.
„Oh, sie müssen sich verspätet haben, sie haben vor dem Frühstück noch mal für die Englischarbeit gelernt“, sagte Olly ein bißchen zu rasch.
„So ein Unfug. Zum Üben sind die Arbeitsstunden am Nachmittag da.“ Fräulein Pott schüttelte mißbilligend den Kopf. „Geh und hol sie, Marina!“
„Warte, ich komme mit!“ rief Olly schnell und zog Marina mit sich fort.
„Irgendwas stimmt doch da nicht, ich habe so eine dunkle Ahnung, daß…“
„Der Brief!“ unterbrach Vivi ihre Freundin Susu. „Es muß mit dem Brief zusammenhängen, den Olly vorhin gelesen hat!“
„Verdammt!“ Susu biß sich auf die Lippen. „Du meinst, er hatte was mit dieser blöden Geschichte wegen Isabella zu tun?“
„Könnte doch sein, oder? Isabella war vorläufig nur als Gast hier!“
„Ich gehe rauf und sehe nach.“
„Nein, das ist zu auffällig! Warte, bis wir fertig gefrühstückt haben.“
„Du hast recht. Wenn es das ist, was wir vermuten, dann brauchen sie jede Minute Vorsprung.“
Marina und Olly kamen zurück und setzten sich auf ihre Plätze, als sei alles in bester Ordnung. Aber ihren Gesichtern sah man die Spannung an. Zum Glück sah Pöttchen nicht herüber, sie war vollauf damit beschäftigt, einen Streit am Tisch der Ersten zu schlichten.
„Komm!“ sagte Susu leise zu Vivi.
Der Schlafsaal war leer. Olly und Marina mußten die Betten der Zwillinge gemacht haben, auch die Waschbecken sahen aufgeräumt aus. Susu ging an die Nachttischschublade neben Isabellas Bett und öffnete sie. Unter einem Stapel von Heften und Büchern fand sie den Brief. Isabella hatte dick mit Rotstift quer darüber geschrieben Niemals!
„Er scheint von ihrem Vater zu sein… warte mal… also doch! Er schreibt, daß er sie abholen kommt und auf ihr altes Internat zurückbringt. Am zwölften November bin ich gegen drei Uhr in Möwenfels… zwölfter November, das ist heute!“
„Was machen wir bloß? Sollen wir versuchen, ihr Verschwinden noch
Weitere Kostenlose Bücher