Dolly - 12 - Die juegste Burgmoewe
mit eckigen, mageren Schultern. „In Landschulheimen ist das Essen immer mies, das weiß man doch.“
„Nun, heute wirst du da bestimmt eine angenehme Enttäuschung erleben“, sagte Mona lächelnd. „Am ersten Abend gibt es immer was besonders Gutes. Aber auch sonst ist es nicht schlecht. Vor allem, wenn die Nestmöwen, die Studentinnen drüben aus der Schwesterschule der Burg, ein Festessen für uns geben oder ein kaltes Büffet! Da gehen dir Augen und Magen über vor Wonne!“
„Wirklich?“ AnnaSofie bekam kugelrunde Augen vor Entzücken. „Ich liebe kalte Büffets! Und sie kochen öfter für uns?“
„Immer, wenn’s was zu feiern gibt. Vor den Ferien zum Beispiel, das Hochzeitsessen für unsere Hausmutter, Frau Schwarze! Kinder, so was Tolles habt ihr noch nicht erlebt!“
„Sie hat ihre Hochzeit hier in der Burg gefeiert? Erzähl! Und ihr durftet alle dabeisein?“
Mona ließ sich nicht lange bitten und erzählte die Geschichte von Dollys Hochzeit in allen Einzelheiten.
Während sie in Erinnerungen schwelgte, scharte man sich in der Zweiten um die Neue, die mit den Eisenbahnerinnen angekommen war. Sie war ein stilles, feingliedriges Geschöpf mit großen hellblauen Augen und haselnußbraunem Haar, das zu einer schicken PagenkopfFrisur geschnitten war. Wenn sie auch vorerst wenig sagte, so spürte man doch in ihrem Wesen etwas fest Zupackendes, Burschikoses. Ihre Augen waren hellwach und schienen sich alles in Windeseile einprägen zu wollen.
„Dolly hat ihre Hochzeit hier gefeiert?“ fragte AnnaSofie entzückt
„Ich bin Charlotte Morell“, hatte sie sich vorgestellt. „Aber wenn es euch recht ist, nennt mich Charlie, so werde ich zu Hause gerufen, und auch von meinen Freundinnen in der alten Schule.“
„Okay, Charlie, das klingt nicht so feierlich wie ,Charlotte’. Und es paßt zu dir“, hatte Vivi gesagt und ihr herzlich die Hand geschüttelt.
In kaum zehn Minuten wußte Charlie die Namen sämtlicher Mädchen ihres Schlafsaals, ohne sie auch nur einmal zu verwechseln. Um sich die zukünftigen Zimmergenossinnen besser einprägen zu können, wiederholte sie halblaut die typischen Merkmale, die zu den Namen gehörten, wie „Olly – eigentlich Olgamaria – rothaarig, runde dunkelbraune Augen, Brille, die sie aber nicht trägt, weil auf der Herfahrt draufgesetzt. Susu – Susanne Kappmann – sehr schlank und groß – dunkle Haare, blaugraue Augen, Pferdeschwanz, sehr dunkle, schöne Stimme. Vivi – mittelblond, Locken halblang, hübsche blaue Augen, hatte eine Schwester in Möwenfels, die die beste Freundin der Hausmutter ist.“ Und so ging es weiter.
„Du bist eine von den ganz Gründlichen, wie?“ scherzte Gloria. „Ich zum Beispiel habe einen Leberfleck auf der linken Seite des Kinns und bin die Größte in der Klasse. Jedenfalls, was meine Körperlänge betrifft. Olivia ist sicher die Hübscheste, obgleich sie sich gar nichts daraus macht, und Mona hat am meisten auf dem Kasten. Sie reitet wie ein junger Gott, kann Lieder machen und zur Gitarre singen, daß dir vor Staunen der Unterkiefer runterklappt.“
„Danke für die Informationen“, sagte Charlie lächelnd. „Ich möchte den Vorsprung, den ihr mir gegenüber habt, da ihr schon ein Jahr lang zusammen seid, so schnell wie möglich aufholen, versteht ihr?“
„Verstehen wir. Obwohl ich in deiner Situation sicher nie auf die Idee gekommen wäre, in der ersten Viertelstunde bereits die Lebensgeschichte aller Mädchen aus dem Schlafsaal der Zweiten auswendig zu lernen. Das artet ja in Arbeit aus!“ meinte Gusti lachend.
„Ich muß mir noch so viel merken, die Namen der Lehrer, die Lage der Räume, der Umgebung, der umliegenden Orte, da kann ich nicht früh genug anfangen“, antwortete Charlie ruhig. „Schließlich muß ich alles…“ Sie brach ab und schaute sich um, als hätte sie etwas Verbotenes gesagt. Aber die Mädchen waren zum Glück längst wieder mit anderen Dingen beschäftigt, und keine fragte danach, was Charlie schließlich alles müsse…
In der Zweiten ist immer was los
Zwei Wochen waren sie nun schon wieder in Möwenfels. Die Schülerinnen der Ersten hatten Fräulein Pott als Klassenlehrerin, wie es seit langem Tradition war. Die Zweite hatte laut aufgejubelt, als sich herausstellte, wer ihnen als Klassenleiter zugeteilt war: KlausHenning Schwarze.
„Jubelt nicht zu früh!“ hatte er bei seinem Einzug in die Klasse gemeint. „Ich habe mir gewünscht, euch als Klasse zu bekommen, weil ich von euch ganz
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