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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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verschwitzten Hand herumgetragen hat. Dabei mußte ich an den Abend im Brombeergestrüpp denken - wie ein leichter Windhauch genau den gleichen Geruch zu mir getragen hatte -, und dabei mußte ich an das Mädchen mit dem rosa Lippenstift und dem gestreiften Kleid denken. Ich dachte daran, wie mir der Gedanke gekommen war, daß die Frau, zu der es herangewachsen war, in Gefahr schwebte. Ich fragte mich, wie es ihr ging und wo sie war, aber ich fragte mich keine Sekunde lang, ob es sie überhaupt gab, wenn ihr versteht, was ich sagen will. Ich wußte, daß es sie gab. Es gibt sie. Daran habe ich nie gezweifelt.
    Aber das tut nichts zur Sache; meine Gedanken schweifen wieder ab, und mein Mundwerk läuft hinterher wie ein braves Lämmchen. Was ich sagen wollte, war, daß mir das Wasser aus dem Hahn in der Küche so wenig nützte wie Mr. Budweisers Bestes - selbst ein paar Eiswürfel hätten gegen diesen Kupfergeruch nichts ausgerichtet -, und es endete damit, daß ich mir irgendeine blöde Comedy-Show ansah und einen HawaiiPunsch trank, den ich für Joe Juniors Zwillinge immer hinten im Kühlschrank stehen habe. Ich taute mir ein Tiefkühlgericht auf, aber als es fertig war, war mir der Appetit vergangen, und ich schüttete es in den Mülleimer. Statt dessen holte ich mir noch einen Hawaii-Punsch nahm ihn mit ins Wohnzimmer und setzte mich wieder vor den Fernseher. Inzwischen lief eine andere ComedyShow, aber ich fand nicht den geringsten Unterschied, vermutlich deshalb, weil ich kaum hinsah.
    Ich versuchte nicht, mir zu überlegen, was ich tun würde; es gibt Überlegungen, die man besser nicht am Abend anstellt - das ist die Zeit, in der der Verstand am ehesten dazu neigt, einem böse Streiche zu spielen. In neun von zehn Fällen muß man die Überlegungen, die man nach Sonnenuntergang anstellt, am Morgen nochmal anstellen. Also saß ich nur da, und einige Zeit, nachdem die Lokalnachrichten vorbei waren und die Tonight Show angefangen hatte, schlief ich wieder ein.
    Ich hatte einen Traum. Ich träumte von mir und Vera, nur daß Vera so war wie damals, als ich sie kennenlernte, als Joe noch lebte und unsere Kinder, ihre ebenso wie meine, noch die meiste Zeit um uns herumwieselten. In meinem Traum waren wir beim Abwaschen - sie spülte, und ich trocknete ab. Aber wir taten es nicht in der Küche; wir standen vor dem kleinen Franklin-Ofen im Wohnzimmer meines Hauses, und das war merkwürdig, weil Vera nie in meinem Haus gewesen ist - nie im Leben.
    Aber in diesem Traum war sie da. Sie hatte das Geschirr in einer Plastikschüssel auf dem Ofen - nicht mein altes Zeug, sondern ihr gutes Spode-Porzellan. Sie spülte einen Teller ab und gab ihn mir, und er rutschte mir aus den Händen und zerbrach auf den Ziegelsteinen, auf denen der Franklin steht. Vera sagte: »Sie müssen vorsichtiger sein, Dolores; wenn Unfälle passieren und man nicht vorsichtig ist, dann gibt es immer eine Menge Unordnung.«
    Ich versprach ihr, vorsichtig zu sein, aber auch der nächste Teller entglitt mir und der nächste und der nächste und der nächste.
    »Das geht aber nun wirklich nicht«, sagte Vera schließlich. »Sehen Sie sich die Unordnung an, die Sie da anrichten!«
    Ich schaute herunter, und anstatt mit Tellerscherben waren die Ziegelsteine übersät mit Bruchstücken von Zähnen und Steinen. »Geben Sie mir keine mehr, Vera«, sagte ich und begann zu weinen. »Ich glaube, ich kann heute keine Teller abtrocknen. Vielleicht bin ich zu alt dazu, ich weiß es nicht, aber ich weiß, daß ich nicht sämtliche Teller zerbrechen will.«
    Aber sie reichte sie mir trotzdem weiter zu, und ich ließ sie weiter fallen, und das Geräusch, das sie beim Aufschlagen auf die Ziegelsteine machten, wurde immer lauter und tiefer, bis es mehr ein Dröhnen war als das spröde Klirren von Porzellan, wenn es auf etwas Hartem landet und zerbricht. Ganz plötzlich wußte ich, daß ich träumte, und auch, daß dieses Dröhnen nicht zu dem Traum gehörte. Ich fuhr so plötzlich aus dem Schlaf auf, daß ich beinahe aus dem Sessel gekippt wäre. Dann hörte ich dieses Dröhnen noch einmal, und diesmal wußte ich, was es war - eine Schrotflinte.
    Ich stand auf und ging ans Fenster. Auf der Straße fuhren zwei Pickups vorbei. Auf den Ladeflächen waren Leute, eine Person auf der ersten und zwei - glaube ich auf der zweiten. Es sah aus, als hätten sie alle Schrotflinten, und alle paar Sekunden feuerte einer von ihnen eine Ladung in den Himmel. Es gab ein helles

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