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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, sammelte er die Post auf, die aus seiner Tasche gefallen war (wobei er immer wieder einen schnellen Blick über die Schulter warf, wahrscheinlich, um sich zu vergewissern, daß ich mich nicht von hinten an ihn ranschlich), und dann stand er einfach am Fuß der Treppe wie ein Wachhund, der einen Einbrecher gestellt hat. Er redete nicht, und ich auch nicht. Mir kam der Gedanke, raufzugehen und meinen Unterrock zu holen. Aber was hätte das genützt? Er hatte ihn gesehen. Außerdem lag das Nudelholz nach wie vor auf der Treppe.
    Bald darauf bist du gekommen, Andy, zusammen mit Frank, und ich bin mit euch in euer hübsches neues Polizeirevier gefahren und habe eine Aussage gemacht. Das war erst gestern vormittag, also brauche ich dieses Ragout wohl nicht wieder aufzuwärmen. Ihr wißt, daß ich nichts von dem Unterrock gesagt habe, und auf die Frage nach dem Nudelholz habe ich gesagt, ich wüßte nicht so recht, wie es dahin gekommen sein könnte. Das war alles, was mir dazu einfiel, jedenfalls solange, bis jemand vorbeikam und das AUSSER BETRIEB-Schild vor meinem Gehirn abhängte.
    Nachdem ich meine Aussage unterschrieben hatte, stieg ich in meinen Wagen und fuhr nach Hause. Es ging alles so schnell und ruhig über die Bühne - die Aussage und das alles, meine ich -, daß ich mir beinahe selbst einredete, es gäbe nichts, worüber ich mir Sorgen machen müßte. Schließlich hatte ich sie nicht umgebracht; sie war wirklich gestürzt. Das sagte ich mir immer wieder, und als ich in meine Einfahrt einbog, war ich einigermaßen überzeugt, daß alles gutgehen würde. 
    Dieses Gefühl hielt nur so lange an, wie ich brauchte, um von meinem Wagen bis zur Hintertür zu kommen. Da hatte jemand einen Zettel angeheftet. Nur ein Blatt von einem Notizblock. Es war ein Fettschmierer drauf, als wäre es von einem Block abgerissen worden, den irgendwer in der Gesäßtasche mit sich rumgetragen hatte. NOCHMAL KOMMST DU DAMIT NICHT DURCH stand darauf. Das war alles. Aber es reichte, meint ihr nicht auch?
    Ich ging hinein und riß die Küchenfenster auf, um den muffigen Geruch rauszulassen. Ich hasse diesen Geruch; in letzter Zeit scheint er immer im Haus zu hängen, einerlei, ob ich lüfte oder nicht. Das liegt nicht nur daran, daß ich jetzt bei Vera wohne - oder jedenfalls bisher gewohnt habe -, obwohl das natürlich mit dazu beiträgt; in erster Linie liegt es daran, daß das Haus tot ist - so tot wie Joe und Little Pete.
    Häuser haben ihr eigenes Leben, das sie von den Menschen übernehmen, die in ihnen wohnen; das ist meine feste Überzeugung. Unser kleines einstöckiges Haus hat es überlebt, daß Joe starb und die beiden älteren Kinder weggingen - Selena, um in Vassar Englisch zu studieren (wie sich herausstellte, bekam sie ein volles Stipendium, ihr Anteil an dem College-Geld, um das ich mir so viel Sorgen gemacht hatte, ging für Kleidung und Bücher drauf), und Joe, um an der University of Maine in Orono, nur ein Stück die Straße hinauf, politische Wissenschaften zu studieren. Es überlebte sogar die Nachricht, daß Little Pete bei der Explosion einer Kaserne in Saigon ums Leben gekommen war. Es passierte, kurz nachdem er dort ankam, und weniger als zwei Monate, bevor der ganze Rummel vorbei war. Ich sah mir auf dem Fernseher in Veras Wohnzimmer an, wie die letzten Hubschrauber vom Dach der Botschaft abflogen, und weinte und weinte. Das konnte ich tun, ohne mich vor dem zu fürchten, was sie vielleicht gesagt hätte - sie war zum Einkaufen nach Boston gefahren.
    Es war nach der Beerdigung von Little Pete, daß das Leben aus dem Haus verschwand; nachdem die letzten Gäste gegangen waren und wir drei - Selena, Joe Junior und ich - allein zurückblieben. Joe Junior hatte über Politik geredet. Er hatte gerade den Job des Stadtdirektors in Machias bekommen; nicht schlecht für einen jungen Mann, auf dessen Diplom die Tinte noch naß ist. Er dachte daran, in ein oder zwei Jahren für das Staatsparlament zu kandidieren.
    Selena redete ein bißchen über die Vorlesungen, die sie am Albany Junior College hielt - das war, bevor sie nach New York zog und anfing, nur noch zu schreiben -, und dann verstummte sie. Wir waren beim Abwaschen, und ganz plötzlich spürte ich etwas, drehte mich schnell um und sah, wie sie mich mit ihren dunklen Augen musterte. Ich könnte behaupten, ich hätte ihre Gedanken lesen können - Eltern können das manchmal bei ihren Kindern -, aber das brauchte ich gar

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