Dolores
Herzen, und es gelang mir nicht. Es war, als wäre ich in einem Zauberwald, wo man einen Blick über die Schulter zurückwirft und feststellt, daß der Weg hinter einem verschwunden ist.
Inzwischen sah das innere Auge immer mehr. Es sah die kreuz und quer verlaufenden Narben an seinem Ohr, wo ich ihn mit dem Sahnekrug geschlagen hatte; es sah die Art, wie er seine Unterlippe vorschob, so daß es aussah, als zöge er eine Schnute; er sah die Schuppen in seinen Augenbrauen und die Art, wie er die aus seiner Nase herauswachsenden Haare ausriß oder von Zeit zu Zeit die Hose im Schritt hochzog.
Alles, was dieses Auge sah, war widerlich, und mir kam der Gedanke, daß die Tatsache, daß ich ihn geheiratet hatte, mehr war als nur der größte Fehler meines Lebens; es war der einzige Fehler, der wirklich zählte, weil nicht nur ich es war, die am Ende dafür würde zahlen müssen. Damals war es Selena, hinter der er her war, aber da waren noch zwei Jungen, die gleich hinter ihr herkamen, und wenn er schon versuchte, ihre Schwester zu vergewaltigen, was würde er dann mit ihnen machen?
Ich drehte den Kopf, und dieses innere Auge sah das Beil, das wie gewöhnlich auf dem Bord über der Holzkiste lag. Ich griff danach und legte die Finger um den Griff, wobei ich dachte, diesmal bekommst du es nicht in die Hand, Joe. In den Kopf vielleicht, aber nicht in die Hand. Dann erinnerte ich mich daran, wie Selena sich umgedreht und zu mir zurückgeschaut hatte, als die drei zur Straße hinuntergingen, und ich beschloß, daß, was immer passieren mochte, das verdammte Beil dabei keine Rolle spielen durfte. Ich bückte mich und holte statt dessen ein Zuckerahorn-Scheit aus der Kiste.
Beil oder Holzscheit, es machte kaum einen Unterschied an diesem Abend ist Joe nur um Haaresbreite dem Tod entgangen. Je länger ich ihn ansah, wie er da saß in seinem schmutzigen Hemd, an den Haaren zupfte, die aus seiner Nase herauswuchsen und die Comics las, desto mehr dachte ich daran, was er mit Selena angestellt hatte; je mehr ich daran dachte, desto wütender wurde ich; je wütender ich wurde, desto näher war ich daran, einfach hinüberzugehen und ihm mit diesem Holzscheit den Schädel einzuschlagen. Ich konnte sogar die Stelle sehen, wo ich ihm den ersten Hieb versetzen würde. Sein Haar hatte sich ziemlich gelichtet, besonders am Hinterkopf, und zwischen den paar Strähnen, die es noch gab, konnte man die Sommersprossen auf der Haut sehen. Genau da, dachte ich, genau auf diese Stelle. Das Blut würde aufspritzen und auf dem Lampenschirm landen, aber das machte mir nichts aus; er war ohnehin alt und häßlich. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr verlangte mich danach, das Blut auf den Lampenschirm spritzen zu sehen. Und dann dachte ich daran, wie es auch auf die Glühbirne spritzen und an ihr verzischen würde. Ich dachte an diese Dinge, und je länger ich daran dachte, desto fester schlossen sich meine Finger um dieses Holzscheit. Ich war verrückt, oh ja, aber wie es schien, konnte ich den Blick nicht von ihm abwenden, und ich wußte, selbst wenn ich es tat, würde das innere Auge ihn trotzdem weiterhin betrachten.
Ich befahl mir, daran zu denken, wie Selena mich anschauen würde, wenn ich es tat - wie ihre Augen mir sagen würden, daß ich genau so jähzornig war, wie Joe behauptet hatte, und daß ihre schlimmsten Befürchtungen eingetreten waren -, aber auch das funktionierte nicht. So sehr ich sie liebte und so viel mir an ihrer guten Meinung lag, es funktionierte nicht. Dieses Auge war zu stark für Liebe. Nicht einmal der Gedanke daran, was mit den dreien passieren würde, wenn er tot war und ich in South Windham saß, weil ich ihn umgebracht hatte, konnte dieses innere Auge veranlassen, sich zu schließen. Es blieb weit offen, und es sah immer mehr häßliche Dinge in Joes Gesicht. Die Art, wie er von der Haut auf seinen Backen weiße Hautfetzen abschabte, wenn er sich rasierte. Ein Klümpchen Senf vom Abendessen, das an seinem Kinn eintrocknete. Sein großes altes Pferdegebiß, das er von einem Versandhaus hatte und das nicht richtig paßte. Und jedesmal, wenn ich mit diesem Auge wieder etwas sah, wurde mein Griff um das Holzscheit noch ein wenig fester.
In der letzten Minute kam mir ein anderer Gedanke. Wenn du es hier und jetzt tun würdest, dann würdest du es nicht für Selena tun. Du würdest es auch nicht für die Jungen tun. Du würdest es tun, weil all dieses Betatzen und Begrapschen drei Monate lang oder noch länger
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