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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Hilfe, denn damals arbeitete ich zwölf und manchmal sogar vierzehn Stunden am Tag. Und die ganze Zeit, während ich fort war, war Joe bei ihr, berührte sie, verlangte, daß sie ihn küßte, ihn an seinen »besonderen Stellen« (so nannte er sie) berührte, und erklärte ihr, er könnte nicht anders, er müßte das tun - sie war nett zu ihm, ich war es nicht, und ein Mann hat nun einmal bestimmte Bedürfnisse, und das war alles, worum es ging. Aber sie durfte es niemandem erzählen. Wenn sie es tat, sagte er, wäre ich imstande, ihn und sie umzubringen. Er erinnerte sie immer wieder an den Sahnekrug und das Beil. Er erzählte ihr immer wieder, was für ein kaltes, übellauniges Scheusal ich wäre, und daß er einfach nicht anders könnte, weil ein Mann nun einmal bestimmte Bedürfnisse hat. All das drillte er ihr ein, Andy, bis es sie halb verrückt gemacht hatte. Er…
    Was, Frank?
    Ja, er hat tatsächlich gearbeitet. Aber seine Art von Arbeit war ihm nicht sonderlich im Wege, wenn es darum ging, seiner Tochter nachzustellen. Einen Hans Dampf in allen Gassen habe ich ihn genannt, und genau das war er. Er erledigte alle möglichen Arbeiten für die Sommergäste und kümmerte sich um zwei Häuser (ich hoffe, die Leute, die ihn als Hausmeister einstellten, hatten vorher ein ausführliches Inventar von ihrem Hab und Gut angelegt); da waren vier oder fünf Fischer, die ihn riefen, damit er mit ihnen ausfuhr, wenn sie viel zu tun hatten - Joe war mager, aber kräftig, und er konnte Netze einholen wie die besten von ihnen, wenn er nicht zu verkatert war -, und natürlich bastelte er nebenbei noch an seinen Motoren herum. Mit anderen Worten, er arbeitete so, wie eine Menge Männer auf der Insel arbeiten (wenn auch nicht so schwer wie die meisten) - ein bißchen hier und ein bißchen dort. Ein solcher Mann kann es selbst einrichten, wann er arbeitet, und in diesem Sommer und Frühherbst richtete Joe es so ein, daß er möglichst viel im Haus sein konnte, wenn ich fort war. In Selenas Nähe.
    Ich frage mich, ob ihr versteht, was ihr verstehen müßt. Begreift ihr, daß ihm ebensoviel daran lag, in ihr Denken einzudringen wie in ihren Schlüpfer? Ich glaube, es war der Anblick von mir mit diesem gottverdammten Beil in der Hand, was die stärkste Macht über sie hatte, und deshalb war es das, was er am häufigsten benutzte. Als ihm klar wurde, daß er es nicht mehr dazu benutzen konnte, um ihr Mitgefühl zu gewinnen, benutzte er es, um ihr Angst einzujagen. Er sagte ihr immer und immer wieder, daß ich sie aus dem Haus werfen würde, wenn ich je herausfinden sollte, was sie taten.
    Was sie taten! Herr im Himmel!
    Sie sagte, sie wollte das nicht tun, und er sagte, das wäre wirklich ein Jammer, aber zum Aufhören wäre es jetzt zu spät. Er sagte ihr, sie hätte sich an ihn herangemacht, bis er halb verrückt gewesen wäre, und er sagte ihr, diese Art von Heranmachen wäre die Ursache der meisten Vergewaltigungen, und gute Frauen (womit er vermutlich übellaunige, beilschwingende Luder wie mich meinte) wüßten das. Joe versicherte ihr immer wieder, er würde den Mund halten, solange sie ihren hielt. »Aber«, erklärte er ihr, »über eines mußt du dir klar sein, Baby, wenn etwas rauskommt, dann kommt alles raus.«
    Sie wußte nicht, was er mit alles meinte, und sie verstand nicht, wieso er, nur weil sie ihm nachmittags ein Glas Eistee hinausgebracht und ihm von Laurie Langills jungem Hund erzählt hatte, auf die Idee gekommen war, ihr jedesmal, wenn er wollte, zwischen die Beine zu greifen, aber sie war überzeugt, daß sie irgendwas getan haben mußte, was ihn veranlaßte, so böse Dinge zu tun, und deshalb schämte sie sich. Ich glaube, das war das Schlimmste daran - nicht die Angst, sondern die Scham. Sie sagte, daß sie eines Tages vorgehabt hätte, die ganze Geschichte Mrs. Sheets, der Studienberaterin, zu erzählen. Sie hatte sogar einen Termin abgemacht, aber als sie im Vorzimmer warten mußte, weil ihr Gespräch mit einem anderen Mädchen etwas länger dauerte, hatte sie der Mut verlassen. Das war knapp einen Monat zuvor gewesen, kurz nachdem die Schule wieder angefangen hatte.
    »Ich fing an, mir vorzustellen, wie es sich anhören würde«, erzählte sie mir, als wir zusammen auf der Bank neben der hinteren Kajütstreppe saßen. Wir hatten schon die Hälft e der Überfahrt hinter uns; East Hemd lag vor uns in der Nachmittagssonne. Selena war endlich fertig mit Weinen. Von Zeit zu Zeit kam ein wässriges Schnüffeln,

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