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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und mein Taschentuch war klatschnaß, aber die meiste Zeit hatte sie sich unter Kontrolle, und ich war verdammt stolz auf sie. Aber meine Hand ließ sie nicht los. Sie hielt sie die ganze Zeit, während wir uns unterhielten, mit einem Todesgriff umklammert, und am nächsten Tag war sie grün und blau. »Ich stellte mir vor, wie es sein würde, wenn ich mich hinsetzte und sagte: ›Mrs. Sheets, mein Dad versucht Sie-wissen-schon-was mit mir zu machen. ‹  Und sie ist so beschränkt - und so alt -, daß sie wahrscheinlich gesagt hätte:  ›n ein, ich weiß nicht was, Selena. Worauf willst du hinaus?‹ Und das hätte sie so vom hohen Roß herab gefragt, wie es nun mal ihre Art ist; ich hätte ihr erzählen müssen, daß mein eigener Vater versucht, mit mir ins Bett zu gehen, und sie hätte mir nicht geglaubt, weil da, wo sie herkommt, die Leute sowas nicht tun.«
    »Ich glaube, das passiert überall in der Welt«, sagte ich. »Traurig, aber wahr. Und ich glaube, eine Studienberaterin hätte das auch gewußt, es sei denn, sie wäre total blöd. Ist Mrs. Sheets total blöd, Selena?« 
    »Nein«, sagte Selena, »ich glaube es nicht, Mommy, aber…«
    »Liebling, hast du etwa geglaubt, du wärst das erste Mädchen, dem das passiert ist?« fragte ich, und daraufhin sagte sie etwas, das ich wieder nicht hören konnte, weil sie so leise sprach. Ich mußte sie bitten, es noch einmal zu sagen.
    »Ich wußte nicht, ob es so war oder nicht«, sagte sie und drückte mich an sich. Ich drückte sie gleichfalls. »Jedenfalls«, fuhr sie schließlich fort, »als ich da saß und wartete, wußte ich, daß ich es nicht erzählen konnte. Vielleicht hätte ich es rausgekriegt, wenn ich gleich hätte reingehen können, aber nicht, nachdem ich Zeit gehabt hatte, es mir durch den Kopf gehen zu lassen und mich zu fragen, ob Daddy recht hatte und du denken würdest, ich wäre ein schlimmes Mädchen…«
    »Das würde ich nie denken«, sagte ich und drückte sie wieder an mich.
    Sie reagierte mit einem Lächeln, daß mir ganz warm ums Herz wurde. »Das weiß ich jetzt«, sagte sie, »aber damals war ich nicht so sicher. Und während ich da saß und durch die Scheibe hindurch sah, wie Mrs. Sheets mit dem Mädchen redete, das vor mir dran war, da dachte ich mir einen guten Grund dafür aus, weshalb ich nicht hineingehen würde.«
    »Ach? Und welcher war das?« fragte ich.
    »Es war keine Schulangelegenheit«, sagte sie.
    Das fand ich lustig, und ich fing an zu kichern. Es dauerte nicht lange, bis Selena gleichfalls kicherte, und das Kichern wurde immer lauter, bis wir da auf dieser Bank saßen, uns bei den Händen hielten und lachten wie zwei Seetaucher in der Paarungszeit. Wir waren so laut, daß der Mann, der unten Essen und Zigaretten verkauft, für ein oder zwei Sekunden den Kopf herausstreckte, um zu sehen, was mit uns los war.
    Es waren noch zwei weitere Dinge, die sie auf dem Heimweg sagte - eins mit dem Mund und das andere mit den Augen. Laut sagte sie, daß sie daran gedacht hätte, ihre Sachen zu packen und davonzulaufen; das wäre wenigstens ein Ausweg gewesen. Aber Davonlaufen löst keine Probleme, wenn man schwer genug verletzt worden ist - schließlich nimmt man, wo immer man auch hinläuft, sein Herz und seinen Kopf mit -, und was ich in ihren Augen sah, war, daß der Gedanke an Selbstmord mehr getan hatte, als ihr nur durch den Kopf zu gehen.
    Wenn ich daran dachte, wie ich den Gedanken an Selbstmord in den Augen meiner Tochter gesehen hatte, dann sah ich Joes Gesicht mit diesem Auge in mir sogar noch deutlicher. Ich sah, wie er ausgesehen haben mußte, während er ihr ständig zusetzte, wenn er versuchte, ihr unter den Rock zu greifen, bis sie zur Selbstverteidigung nur noch Jeans trug, wenn er nicht bekam, was er wollte  (oder jedenfalls nicht alles, was er wollte), zu ihrem Glück und seinem Pech, und zwar nicht, weil er es nicht hartnäckig genug versucht hatte. Ich dachte daran, was hätte passieren können, wenn Joe Junior nicht etliche Male sein Spielen mit Willy Bramhall abgebrochen und früher nach Hause gekommen wäre, oder wenn ich nicht schließlich doch die Augen weit genug aufgemacht hätte, um sie mir genau anzusehen. Vor allem dachte ich daran, wie er sie getrieben hatte. Er hatte es auf die Art getan, wie ein gemeiner Kerl mit einer Peitsche oder einer Rute ein Pferd treibt und keine Minute damit aufhört, weder aus Liebe noch aus Mitleid, bis das Tier tot vor seinen Füßen liegt - woraufhin er dann

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