Dolores
vor deiner Nase passiert ist und du zu blöd warst, es zu bemerken. Wenn du ihn umbringst und dafür ins Gefängnis gehst und deine Kinder nur an den Sonntagnachmittagen siehst, dann solltest du auch wissen, weshalb du es tust: nicht, weil er sich an Selena vergriffen, sondern weil er dich zum Narren gehalten hat.
Das endlich setzte mir einen Dämpfer auf. Das innere Auge schloß sich nicht, aber es trübte sich und verlor etwas von seiner Macht. Ich versuchte, die Hand zu öffnen und das Holzscheit fallen zu lassen, aber ich hatte es zu fest umklammert und konnte es einfach nicht loslassen. Ich mußte mit der anderen Hand zugreifen und die ersten beiden Finger aufbiegen, bevor es in die Kiste zurückfiel, und die anderen drei Finger blieben gebeugt, als hielten sie es nach wie vor. Ich mußte meine Hand drei- oder viermal zur Faust ballen, bevor sie sich wieder normal anfühlte.
Als sie das tat, ging ich hinüber zu Joe und tippte ihm auf die Schulter. »Ich möchte mit dir reden«, sagte ich.
»Dann tu’s doch«, sagte er hinter der Zeitung. »Ich hindere dich nicht daran.«
»Ich möchte, daß du mich dabei ansiehst«, sagte ich. »Also weg mit der Zeitung.«
Er ließ sie in seinen Schoß sinken und sah mich an. »Du hast heute wieder einmal eine verdammt große Klappe«, sagte er.
»Ich kümmere mich um meine Klappe«, sagte ich, »und du kümmerst dich um deine Hände. Denn wenn du es nicht tust, dann sorge ich dafür, daß du mehr Ärger bekommst, als du in einem Jahr aus lauter Sonntagen verkraften kannst.«
Seine Brauen hoben sich, und er fragte mich, was das bedeuten sollte.
»Es bedeutet, daß ich will, daß du Selena in Ruhe läßt«, sagte ich.
Er sah aus, als hätte ich ihm das Knie direkt in seine Kronjuwelen gerammt. Das war das Beste an dieser üblen Geschichte, Andy - der Ausdruck auf Joes Gesicht, als er begriff, daß ich ihm auf die Schliche gekommen war. Seine Haut wurde blaß, sein Unterkiefer sackte herab, und sein ganzer Körper zuckte in diesem schäbigen alten Schaukelstuhl, so, wie ein Körper manchmal zuckt, wenn ein Mensch gerade am Einschlafen ist und ihm auf dem Weg in den Schlaf ein schlimmer Gedanke kommt.
Er versuchte, so zu tun, als wäre es nur eine Muskelzuckung in seinem Rücken gewesen, aber er konnte keinen von uns beiden zum Narren halten. Es sah sogar so aus, als schämte er sich ein bißchen, aber damit machte er auf mich nicht den geringsten Eindruck. Selbst ein blöder Hund hat Verstand genug, sich zu schämen, wenn man ihn dabei erwischt, wie er Eier aus dem Hühnerstall stiehlt.
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte er.
»Wie kommt es dann, daß du so aussiehst, als hätte der Teufel gerade in deine Hose gelangt und dir die Eier gequetscht?« fragte ich ihn.
Da begannen sich auf seiner Stirn die Zornfalten zu bilden. »Wenn dieser verdammte Joe Junior Lügen über mich erzählt hat…«, setzte er an.
»Joe Junior hat weder Ja noch Nein noch Vielleicht über dich gesagt«, sagte ich, »und du kannst es dir sparen, eine Schau abzuziehen. Selena hat es mir erzählt. Sie hat mir alles erzählt - wie sie versucht hat, nett zu dir zu sein nach dem Abend, an dem ich dir den Sahnekrug an den Kopf gehauen habe, wie du es ihr gelohnt hast und wie du gesagt hast, was passieren würde, wenn sie es erzählt.«
»Sie ist ein verlogenes kleines Biest«, sagte er und warf seine Zeitung auf den Fußboden, als wäre damit alles bewiesen. »Ein verlogenes kleines Biest und ein verdammter Quälgeist! Ich hole meinen Gürtel, und wenn sie hier aufkreuzt - wenn sie es wagen sollte, jemals wieder hier aufzukreuzen…«
Er wollte aufstehen. Ich streckte eine Hand aus und drückte ihn wieder nieder. Es ist so einfach, einen Menschen, der aus einem Schaukelstuhl aufzustehen versucht, wieder niederzudrücken; es überraschte mich ein bißchen, wie einfach es war. Vielleicht hatte das etwas damit zu tun, daß ich ihm keine drei Minuten zuvor beinahe mit einem Holzscheit den Schädel eingeschlagen hätte.
Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, und er sagte, ich sollte mich lieber nicht mit ihm anlegen. »Du hast es schon einmal getan«, sagte er, »aber das bedeutet noch lange nicht, daß du jedesmal damit durchkommst.«
Daran hatte ich auch schon gedacht, und das war noch gar nicht so lange her, aber es war kaum der rechte Zeitpunkt, ihm das zu sagen. »Du kannst dir dein großspuriges Gerede für deine Freunde aufsparen«, sagte ich statt dessen. »Jetzt
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