Dolores
tust du nichts anderes, als die Ohren aufzusperren und dir anzuhören, was ich zu sagen habe. Ich meine es nämlich verdammt ernst. Wenn du dich jemals wieder an Selena vergreifst, dann bringe ich dich ins Staatsgefängnis wegen Belästigung eines Kindes oder Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen, je nachdem, wofür du länger auf Eis gelegt wirst.«
Das verschlug ihm die Sprache. Sein Unterkiefer sackte wieder herab, und er saß eine Minute lang nur da und starrte mich an.
»Das würdest du doch nicht…«, setzte er an, und dann verstummte er. Weil er gesehen hatte, daß ich würde. Also spielte er den Verdrießlichen und schob die Unterlippe noch weiter vor als gewöhnlich. »Du denkst nur an sie, stimmt’s?« sagte er. »Du hast nicht einmal gefragt, wie das von meiner Seite aus aussieht, Dolores.«
»Hast du denn eine?« erwiderte ich. »Wenn ein vierzigjähriger Mann von seiner vierzehnjährigen Tochter verlangt, daß sie ihren Schlüpfer auszieht, damit er sehen kann, wieviel Haar da unten schon wächst, kann man dann sagen, daß dieser Mann eine Seite hat?«
»Sie wird nächsten Monat fünfzehn«, sagte er, als änderte das alles. Er war schon ein Stück Dreck, weiß Gott.
»Hast du das gehört?« fragte ich ihn. »Hast du gehört, was da eben aus deinem eigenen Mund gekommen ist?«
Er starrte mich noch einen Moment länger an, dann bückte er sich und hob seine Zeitung vom Fußboden auf. »Laß mich in Ruhe, Dolores«, sagte er mit seiner verdrießlichsten und wehleidigsten Stimme. »Ich möchte diesen Artikel zu Ende lesen.«
Ich hätte ihm am liebsten die verdammte Zeitung aus den Händen gerissen und sie ihm ins Gesicht geworfen, aber dann wäre bestimmt Blut geflossen, und ich wollte nicht, daß die Kinder - besonders Little Pete - hereinkamen und eine solche Szene miterlebten. Also streckte ich nur die Hand aus und drückte die Zeitung sanft mit dem Daumen nieder.
»Zuerst versprichst du mir, daß du Selena in Ruhe läßt«, sagte ich, »damit wir diese scheißmiserable Geschichte ein für allemal hinter uns haben. Du versprichst mir, daß du sie in deinem ganzen Leben nie wieder anfassen wirst.«
»Dolores, du wirst nicht…«, setzte er an.
»Versprich es, Joe, sonst mach ich dir das Leben zur Hölle.«
»Glaubst du etwa, das macht mir Angst?« brüllte er. »Du hast mir die letzten fünfzehn Jahre das Leben zur Hölle gemacht, du Luder - deine häßliche Fratze ist nichts im Vergleich zu deinem häßlichen Charakter! Wenn dir nicht gefällt, wie ich bin, dann hast du dir das selber zuzuschreiben!«
»Du weißt nicht, was Hölle ist«, sagte ich, »aber wenn du sie nicht in Ruhe läßt werde ich dafür sorgen, daß du es herausfindest.«
»Also gut!« brüllte er. »Also gut, ich verspreche es! So! Das war’s! Bist du jetzt zufrieden?«
»Ja«, sagte ich, obwohl ich es nicht war. Er würde mich nie mehr zufriedenstellen können - nicht einmal, wenn er mir das Wunder der Brote und Fische vorgeführt hätte. Ich war entschlossen, bis zum Ende des Jahres die Kinder aus dem Haus zu schaffen oder ihn tot zu sehen. Worauf es hinauslief, machte für mich keinen großen Unterschied, aber ich wollte nicht, daß er merkte, daß ihm etwas bevorstand, bis es für ihn zu spät war, noch etwas dagegen zu unternehmen.
»Gut«, sagte er. »Dann ist ja alles in bester Ordnung, stimmt’s, Dolores?« Aber er sah mich mit einem eigentümlichen kleinen Funkeln in den Augen an, das mir gar nicht gefiel. »Du hältst dich wohl für ziemlich schlau?«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Früher habe ich immer geglaubt, ich wäre halbwegs gescheit, aber sieh dir an, mit wem ich mich zusammengetan habe.«
»Spar dir die großen Reden« sagte er, wobei er mich immer noch auf diese merkwürdig verschlagene Art ansah. »Du bildest dir ein, so ein heißes Stückchen Scheiße zu sein, daß du wahrscheinlich jedesmal über die Schulter schaust, um zu sehen, ob dein Arsch qualmt, bevor du ihn abwischst. Aber du weißt nicht alles.«
»Was meinst du damit?«
»Das kannst du selbst rausfinden«, sagte er und schüttelte seine Zeitung aus wie ein reicher Typ, der sich vergewissern will, daß ihm der Aktienmarkt an diesem Tage nicht allzu übel mitgespielt hat. »Einer Klugscheißerin wie dir sollte das nicht allzu schwer fallen.«
Es gefiel mir nicht, aber ich ließ es durchgehen, weil ich nicht länger in einem Hornissennest herumstochern wollte, als unbedingt sein mußte. Aber das war nicht der einzige
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