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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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Frauen hingegen den Reiz eines Kleides. Sitzen aber ein Mann und eine Frau darauf, so sprechen sie nur dann nicht über sich selbst, wenn die Naturgesetze außer Kraft gesetzt werden. Capitu und ich sprachen also über uns. Ich erinnere mich vage, dass ich sie fragte, ob sie noch lange dort bleiben werd e …
    «Ich weiß es nicht. Das Fieber scheint zu sinke n … abe r …»
    Ebenso schwach erinnere ich mich, dass ich ihr meinen Besuch in der Rua dos Inválidos erklärte, und zwar mit der reinen Wahrheit, dass ich nämlich auf Anraten meiner Mutter gekommen sei.
    «Auf Anraten deiner Mutter?», flüsterte Capitu.
    Und sie fügte mit einem außergewöhnlichen Glanz in den Augen hinzu: «Wir werden glücklich sein!»
    Ich bestätigte diese Worte mit meinen Fingern, indem ich die ihren drückte. Und das Canapé, das dies beobachtet hatte oder auch nicht, stand uns für unsere verschlungenen Hände und unsere aneinandergeschmiegten Köpfe weiterhin zur Verfügung.
    83
    Das Porträt
    Gurgel kam zurück ins Wohnzimmer und richtete Capitu aus, dass seine Tochter nach ihr verlange. Ich stand hastig auf, fand jedoch zu keiner angemessenen Haltung und heftete meinen Blick daher auf die Stühle. Capitu hingegen erhob sich ganz natürlich und fragte, ob das Fieber gestiegen sei.
    «Nein», antwortete Gurgel.
    Keinerlei Verwirrung, nichts Verräterisches in Capitus Blick. Sie wandte sich an mich und trug mir Grüße für meine Mutter und Base Justina auf. Dann reichte sie mir die Hand, verabschiedete sich mit einem «Bis bald» und verschwand im Flur. Ich blickte ihr neidvoll nach. Warum fing Capitu sich so mühelos wieder und ich nicht?
    «Sie ist eine junge Dame geworden», bemerkte Gurgel, während er ihr ebenfalls nachsah.
    Ich murmelte eine Zustimmung. In der Tat war Capitu in letzter Zeit sehr schnell gewachsen, ihre Formen rundeten sich und wurden kräftiger. Dasselbe galt für ihren Charakter. Sie war äußerlich wie innerlich, vom Scheitel bis zur Sohle eine Frau. Dieses Aufblühen schien sich nun, da ich sie nicht mehr jeden Tag sah, beschleunigt zu haben, und jedes Mal, wenn ich nach Hause kam, wirkte sie auf mich größer und voller, die Augen schienen einen anderen Glanz zu haben und der Mund eine neue Kraft. Gurgel drehte sich zu einer der Wohnzimmerwände um, an der das Porträt einer jungen Frau hing, und fragte mich, ob Capitu diesem Bildnis gleiche.
    Da ich immer schon die Angewohnheit hatte, der zu erwartenden Meinung meines Gesprächspartners beizupflichten, sofern das Thema mich nicht beleidigte, verärgerte oder zu etwas zwang, stimmte ich Gurgel zu, noch ehe ich überhaupt geprüft hatte, ob Capitu der Frau auf dem Bild wirklich ähnelte. Er erklärte, es sei das Porträt seiner Frau, und alle, die sie gekannt hätten, seien dieser Meinung. Er selbst finde auch, dass ihre Gesichtszüge Ähnlichkeiten aufwiesen, insbesondere in der Stirn- und Augenpartie. Und ihr Wesen sei nahezu identisch, fast wie bei Zwillingen.
    «Und selbst in ihrer Verbundenheit mit Sanchinha gleichen sie sich, denn ihre Mutter war ihr keine bessere Freundi n … Es gibt im Leben solch merkwürdige Ähnlichkeiten.»
    84
    Der Ruf
    Im Foyer und auf der Straße überlegte ich noch einmal, ob Gurgel nicht vielleicht doch etwas gemerkt hatte, verwarf den Gedanken jedoch wieder und machte mich auf den Weg. Ich war so glücklich über diesen Besuch, über Capitus Freude und Gurgels lobende Worte, dass ich nicht sofort bemerkte, dass mich jemand rief.
    «Senhor Bentinho! Senhor Bentinho!»
    Erst als die Stimme anschwoll und der Rufer in der Tür erschien, blieb ich stehen und erkannte, wo ich mich befand. Ich war bereits in der Rua de Matacavalos. Die Stimme kam aus dem Keramikgeschäft, einem armseligen Laden, dessen Türen halb geschlossen waren. Die Person, die mich gerufen hatte, war ein ärmlicher, schlecht gekleideter grauhaariger Mann.
    «Senhor Bentinho!», rief er weinend aus. «Wissen Sie schon, dass mein Sohn Manduca gestorben ist?»
    «Er ist gestorben?»
    «Ja, vor einer halben Stunde, morgen wird er beerdigt. Ich habe gerade Ihrer Mutter eine Nachricht überbringen lassen, und sie war so nett, mir ein paar Blumen zu schicken, die ich auf den Sarg legen kann. Mein armer Sohn! Er musste sterben, und im Grunde ist es ja besser für ihn, aber trotzdem schmerzt es. Was für ein hartes Leben hat er doch gehabt! Erst vor ein paar Tagen hat er noch von Ihnen gesprochen und gefragt, ob Sie nun im Priesterseminar seie n … Wollen Sie

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