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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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er selbst zu einer politischen Karriere berufen war, hätte er für mich sicherlich auch nur eine solche im Auge gehabt, obgleich die beiden Berufe sich nicht ausschließen und so mancher Priester sich auf die Parteikämpfe und das Regieren der Menschen verlegt hat. Doch mein Vater starb, ohne etwas von dem Gelübde zu erfahren, und meine Mutter blieb als Alleinschuldnerin mit ihrem Vertrag zurück.
    In einem Aphorismus von Benjamin Franklin heißt es, für jemanden, der an Ostern eine Schuld zu begleichen hat, ist die Fastenzeit kurz. 54 Unsere Fastenzeit war auch nicht länger, und obwohl meine Mutter mich in Latein und in der Glaubenslehre unterrichten ließ, verschob sie meinen Eintritt ins Seminar doch immer wieder. In der Wirtschaftssprache nennt man das «einen Wechsel verlängern». Der Gläubiger war nämlich Multimillionär, und sein Lebensunterhalt hing nicht von der geschuldeten Summe ab, deshalb stimmte er dem Zahlungsaufschub zu, ohne auch nur die Zinsen zu erhöhen. Eines Tages jedoch sprach einer der Haushaltsangehörigen, die als Schuldeneintreiber dienten, von der Notwendigkeit, die vereinbarte Schuld zu begleichen, was in einem der ersten Kapitel beschrieben ist. Meine Mutter stimmte zu, und so kam ich ins Seminar São José.
    In besagtem Kapitel vergoss sie ein paar Tränen, die sie ohne jede Erklärung trocknete und die keiner der Anwesenden, weder Onkel Cosme noch Base Justina oder der Hausfreund José Dias, wirklich verstanden. Ich, der ich hinter der Tür lauschte, verstand sie auch nicht besser. Betrachten wir diese nun mit dem zeitlichen Abstand genauer, so erkennen wir, dass dahinter eine vorauseilende Sehnsucht, der Trennungsschmerz und vielleicht auch (womit ich auf besagte Angelegenheit zu sprechen komme) Reue über das Gelübde steckten. Katholisch und fromm, wie sie war, wusste sie nur zu gut, dass Gelübde eingelöst werden müssen, die Frage war also eher, ob es angebracht und nötig gewesen war, sie abzulegen, und meine Mutter tendierte dazu, diese Frage mit Nein zu beantworten. Warum hätte Gott sie bestrafen sollen, indem er ihr ein zweites Kind versagte? Genauso gut hätte es Gottes Wille sein können, dass ich lebte, ohne die Notwendigkeit, ihm dieses Leben ab ovo zu weihen. Diese Überlegung kam zu spät. Sie hätte am Tage meiner Empfängnis angestellt werden müssen. Dennoch war der Gedanke einmal gefasst; weil er indes nicht notwendigerweise das Bestehende aufhob, blieb alles beim Alten, und ich ging ins Seminar.
    Ein kleines Schwanken in ihrem Glauben hätte die Sache zu meinen Gunsten entscheiden können, doch ihr Glaube wachte mit großen, unschuldigen Augen. Meine Mutter hätte, wäre dies möglich gewesen, auch ihr Gelübde gegen ein anderes eingetauscht, hätte einen Teil ihrer Lebensjahre hergegeben, um mich bei sich behalten zu können, fern des Klerus, als verheirateten Familienvater. Das vermute ich zumindest, so, wie ich ebenfalls annehme, dass sie diesen Gedanken wieder verwarf, da sie darin eine Untreue sah. So jedenfalls habe ich meine Mutter unser ganzes gemeinsames Leben lang eingeschätzt. Nun ergab es sich, dass der Schmerz über meinen Weggang von Anfang an durch Capitus Fürsorglichkeit gemildert wurde. Meine Mutter begann, sie wirklich zu brauchen. Und dadurch gelangte sie allmählich zu der Überzeugung, dass das Mädchen mich glücklich machen würde. Sie hegte also (und nun will ich endlich auf mein Anliegen zu sprechen kommen) die Hoffnung, dass unsere Liebe mich für das Seminar untauglich machen und bewirken würde, dass ich um nichts in der Welt dort bliebe. Diese geheime Hoffnung setzte sich im Herzen meiner Mutter fest. In diesem Fall wäre nämlich ich es, der den Vertrag bräche, und sie selbst träfe keine Schuld. Sie würde mich nicht verlieren, ohne selbst etwas dafür tun zu müssen. Es war also, als hätte sie einem Dritten die geschuldete Summe anvertraut, damit er sie dem Gläubiger bringe, und dieser Bote behielt das Geld für sich und händigte es nicht aus. Im normalen Leben befreit ein solches Vorgehen eines Dritten den Vertragseigner nicht von seiner Schuld, doch der Vorteil eines Kontrakts mit dem Himmel ist, dass hier bereits die Absicht gilt.
    Bestimmt hast du bereits Konflikte dieser Art erlebt, lieber Leser, und falls du religiös bist, hast du gewiss schon auf gleiche oder ähnliche Weise versucht, Himmel und Erde miteinander auszusöhnen. Himmel und Erde söhnen sich am Ende immer aus, sie sind fast so etwas wie Zwillinge,

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