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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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einen Augenblick inne, betrachtete den Stein zum Schrubben der Wäsche und stellte Überlegungen zur Reinlichkeit an. Danach gingen wir weiter. Welcher Art diese Überlegungen waren, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich nur noch, dass ich sie sehr originell fand und lachen musste, woraufhin auch er lachte. Meine Fröhlichkeit steckte ihn an, und der Himmel war so blau, die Luft so klar, dass die Natur ebenfalls in unser Lachen einzustimmen schien. So sind die glücklichen Stunden des Lebens. Escobar fand für diesen Einklang von Innerem und Äußerem so feinsinnige und gewählte Worte, dass ich zutiefst beeindruckt war. Schließlich kam er auf die geistige Schönheit zu sprechen, die mit der körperlichen einhergeht, und erwähnte erneut meine Mutter, den «Engel im doppelten Sinne», wie er sagte.
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    Arithmetische Gedanken
    Mehr schreibe ich hier nicht, obwohl es noch viel zu sagen gäbe. Escobar konnte nämlich nicht nur loben und denken, sondern auch schnell und gut rechnen. Er war einer dieser von Holmes beschriebenen arithmetischen Köpfe ( 2 +# 8 8# = 4) 59 , und es war unvorstellbar, mit welcher Leichtigkeit er addierte oder multiplizierte. Die Division, für mich immer eine der schwierigsten Rechenarten, war für ihn ein Kinderspiel: Er senkte ein wenig die Lider, verdrehte die Augen, flüsterte Zahlen vor sich hin, und fertig war er. Das tat er mit sieben, mit dreizehn, mit zwanzig Zahlen. Seine Leidenschaft für die Zahlen war so groß, dass er sogar die Rechenzeichen liebte und der Meinung war, die Zahlen, von denen es nur so wenige gab, seien wertvoller als die vierundzwanzig Buchstaben des Alphabets.
    «Bestimmte Buchstaben sind unnütz oder überflüssig», sagte er. «Warum unterscheidet man beispielsweise zwischen dem ‹ d › und dem ‹ t › ? Diese Buchstaben klingen doch fast gleich. Dasselbe gilt für das ‹ b › und das ‹ p › , das ‹ c › und das ‹ z › oder das ‹ k › und das ‹ g › und so weiter. Das sind doch nur Stolpersteine für das Schreiben. Aber sieh dir die Zahlen an: Es gibt keine zwei Zahlen, die dieselbe Bedeutung haben. Eine 4 ist eine 4 und eine 7 eine 7. Und man bemerke, mit welcher Schönheit die 4 und die 7 zu dem werden, was man die 11 nennt. Verdoppelst du die 11, bekommst du die 22. Multiplizierst du sie mit sich selbst, erhältst du die 484, und so weiter und so fort. Aber die größte Vollendung liegt in der Verwendung der Null. Eine Null an sich hat keinen Wert, und doch ist es Aufgabe dieses Zeichens, etwas zu vergrößern. Eine 5 allein ist eine 5. Fügst du ihr zwei Nullen hinzu, ergibt das 500. Das, was nichts wert ist, erhöht also den Wert des anderen, und das kann man von den Doppelbuchstaben nicht behaupten, denn es macht keinen inhaltlichen Unterschied, ob ich aprovar mit einem oder mit zwei ‹ p › schreibe.»
    Da ich mit der Orthografie meiner Eltern groß geworden war, schmerzten diese Blasphemien meine Ohren, doch ich wagte nicht zu widersprechen. Einmal indes äußerte ich ein paar Widerworte, auf die er mir antwortete, ich sei voreingenommen. Schließlich reichten die arithmetischen Ideen bis in die Unendlichkeit und hätten daher den Vorteil, dass mit ihnen leichter umzugehen sei. Ein philosophisches oder linguistisches Problem könne ich nicht sofort lösen, während er in der Lage sei, in drei Minuten beliebige Summen zu addieren.
    «Zum Beispiel: Stelle mir eine Aufgabe und gib mir ein paar Zahlen, die ich nicht kenne und auch nicht herausfinden kan n … sagen wir mal die Anzahl der Häuser deiner Mutter und die jeweiligen Monatsmieten. Und wenn ich dir nicht in zwei, nein, in einer Minute sage, wie hoch die monatliche Gesamtmiete ist, darfst du mich aufhängen!»
    Ich nahm die Wette an und übergab ihm in der Woche darauf einen Zettel, auf dem ich die Anzahl der Häuser und die jeweiligen Mieten notiert hatte. Escobar nahm den Zettel, warf einen Blick darauf, um sich die Zahlen einzuprägen, und während ich auf die Uhr sah, verdrehte er die Augen, senkte die Lider und flüsterte vor sich hi n …
    Der Wind hätte nicht schneller sein können! Nach einer halben Minute platzte er bereits heraus: «Das macht eintausendsiebzig Milreis im Monat.»
    Ich war verblüfft. Man bedenke, dass es nicht weniger als neun Häuser waren, und alle mit unterschiedlich hohen Mieten, von siebzig bis hundertachtzig Milreis. Wozu ich drei oder vier Minuten gebraucht hätte – und natürlich ein Blatt Papier –, das errechnete Escobar spielend

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