Dom Casmurro
auch gar nicht anders sein, fügte er noch hinzu. Anschließend betonte er nochmals meine Erziehung, die guten Vorbilder, die ich hätte, «die sanfte und außergewöhnliche Mutter», die der Himmel mir geschenkt hab e … All dies brachte er nur stockend und mit leicht zittriger Stimme hervor.
Meine Familie war sehr angetan von ihm. Darüber war ich so froh, als hätte ich selbst Escobar erschaffen. José Dias lobte ihn mit zwei Superlativen, Onkel Cosme gewann zwei Spielchen gegen ihn, und Base Justina fand keinen Makel, den sie ihm hätte anhängen können. Später jedoch, am zweiten oder dritten Sonntag, sagte sie uns, sie halte meinen Freund Escobar für ein wenig aufdringlich, und er habe die Augen eines Polizisten, dem nichts entgehe.
«Das sind eben seine Augen», erklärte ich.
«Ich sage ja nicht, dass es andere sind.»
«Es sind nachdenkliche Augen», war Onkel Cosmes Meinung.
«Gewiss», pflichtete José Dias ihm bei. «Aber Senhora Dona Justina mag recht haben. Das eine schließt das andere nicht aus, und Nachdenklichkeit passt gut zu einer angeborenen Neugierde. Er wirkt neugierig, das stimmt, abe r …»
«Auf mich wirkt er wie ein sehr ernsthafter Junge», sagte meine Mutter.
«Genau das ist er!», stimmte José Dias zu, um ihr nicht zu widersprechen.
Als ich Escobar diese Äußerung meiner Mutter überbrachte (natürlich ohne die anderen zu erwähnen), merkte ich, dass er sich ungemein freute. Er bedankte sich für das Lob und pries anschließend meine Mutter. Sie sei eine beeindruckende, vornehme und jugendliche, sehr jugendliche Fra u … Wie alt mochte sie sein?
«Sie ist schon über vierzig», antwortete ich etwas vage vor lauter Stolz.
«Das kann nicht sein!», rief Escobar aus. «Vierzig! Sie wirkt nicht einmal wie dreißig. Sie ist so jung und hübsch. Aber nach jemandem musst du ja kommen, bei diesen Augen, die Gott dir geschenkt hat. Die hast du von ihr. Ist sie schon lange Witwe?»
Ich erzählte ihm, was ich über ihr Leben mit meinem Vater wusste. Escobar hörte mir aufmerksam zu, fragte nach und bat um Erklärungen für Dinge, die ich weggelassen oder die er nicht verstanden hatte. Als ich ihm sagte, dass ich keinerlei Erinnerung an die Zeit auf dem Lande hätte, da ich als ganz kleines Kind nach Rio gekommen sei, erzählte er mir zwei oder drei Geschichten, an die er sich noch ganz genau erinnerte, obwohl er damals erst drei Jahre alt war. Er fragte, ob wir nicht aufs Land zurückkehren wollten.
«Nein, jetzt gehen wir nicht mehr zurück. Sieh mal, der Schwarze dort drüben, der ist von dort. Tomás!»
«Nhonh ô …!»
Wir befanden uns gerade im Gemüsegarten, und der Schwarze arbeitete dort. Er trat zu uns und wartete ab.
«Er ist verheiratet», sagte ich zu Escobar. «Wo ist Maria?»
«Sie stampft Mais, Senhor.»
«Kannst du dich noch an unsere Plantage erinnern, Tomás?»
«Aber natürlich, Senhor.»
«Das ist schön. Du kannst gehen.»
Ich zeigte Escobar weitere Sklaven. Pedro, José, Damiã o …
«Alle Buchstaben des Alphabets», fiel Escobar auf.
In der Tat fingen alle ihre Namen mit einem anderen Buchstaben an, das bemerkte ich erst jetzt. Ich nannte ihm weitere Sklaven, von denen einige zwar dieselben Namen trugen, indes mittels eines Spitznamens oder einer Eigenschaft unterschieden wurden – João Fulo, der wütende João, Maria Gorda, die dicke Maria – oder aber mittels ihrer Herkunft wie Pedro Benguela, Antônio Mosambi k …
«Und sie arbeiten alle hier im Haus?», fragte er.
«Nein, ein paar arbeiten auch auswärts, andere sind vermietet. Wir konnten nicht jeden hier im Haus beschäftigen. Sie sind auch nicht alle von der Plantage mitgekommen. Der größte Teil ist dort geblieben.»
«Mich wundert, dass Dona Glória sich so schnell daran gewöhnt hat, in einem Stadthaus zu wohnen, wo es so viel enger ist. Das Haus dort ist doch bestimmt größer.»
«Das weiß ich nicht, aber vermutlich hast du recht. Mama besitzt auch noch andere Häuser, die größer sind als dieses hier. Sie sagt aber immer, dass sie in diesem hier sterben möchte. Die anderen sind vermietet. Einige sind ziemlich groß, wie das in der Rua da Quitand a …»
«Das kenne ich. Es ist sehr schön.»
«Sie hat auch noch welche in Rio Comprido, in Cidade Nova und in Catete 58 …»
«Dann wirst du also immer ein Dach über dem Kopf haben», schloss er mit einem liebenswerten Lächeln.
Wir gingen in den hinteren Teil des Gartens und kamen am Waschplatz vorbei. Dort hielt er
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