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Stadt blieben nur knappe dreißig Minuten, um in Kellern und Schutzräumen vor dem niedergehenden Atomstaub Zuflucht zu suchen. Jene, die in den ersten sechs Stunden nach der Detonation dem radioaktiven Niederschlag ungeschützt ausgesetzt waren, werden innerhalb von wenigen Tagen, spätestens nach einigen Wochen sterben. Die Zahl der Opfer, die auf diese Weise ums Leben kommen, muss für London und die nähere Umgebung der Stadt mit vier Millionen angesetzt werden.«
Farraday meldete sich zu Wort. Das Zittern in seiner Stimme war kaum zu überhören. »Können Sie uns sagen, wie viel Menschen die Katastrophe überleben werden?«
Die Augen aller Anwesenden waren jetzt auf den Civil Defense Officer gerichtet.
»Es ist nur eine grobe Schätzung, aber ich meine, dass von der Bevölkerung von Groß-London nur eine knappe Million mit dem Leben davonkommen wird.«
Ein geisterhaftes Schweigen folgte diesen Worten. Es war Dealey, der in die bedrückende Stille hinein zu sprechen begann. »Wir sollten uns darüber klar sein, dass es sich bei den genannten Zahlen um Vermutungen handelt. Da es keine Präzedenzfälle für einen solchen atomaren Angriff gibt, zumindest nicht in dieser Größenordnung, ist es unmöglich, die Verluste an Menschenleben genau zu beziffern.«
»Der Einwand ist richtig«, räumte Bryce ein. »Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, dass die von mir geschätzten Zahlen auf wissenschaftlichen Untersuchungen beruhen, die in den letzten Jahren von Fachleuten angestellt wurden. Als statistische Basis für die Berechnungen dienten die Zahlen, die nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki bekannt wurden.«
»Trotzdem bleiben das Schätzungen«, widersprach ihm Dealey. Es war offensichtlich, dass er dem Civil Defense Officer einen Rüffel erteilen wollte. Wie Culver vermutete, waren die Zahlen vorher in kleinem Kreise durchgesprochen worden. Allem Anschein nach war der Krisenstab, der jetzt einträchtig am Tisch saß, dabei zu keiner Einigung gekommen.
»Unsere Familien sind da oben!« schrie ein Mann. Culver wandte sich um. Der Mann hatte Tränen in den Augen und fuchtelte mit den Fäusten. »Wir müssen unseren Angehörigen helfen! Wir können sie nicht ihrem Schicksal überlassen. Wir müssen…«
Dealey schnitt ihm das Wort ab. »Wir können diesen Bunker vorläufig nicht verlassen. Es wäre für uns alle das Ende.«
»Meinen Sie denn, wir hätten ein Interesse daran, weiterzuleben?« schluchzte eine Frau. »Welchen Sinn hat es, in einer zerstörten Welt noch ein paar Tage oder Wochen zu vegetieren?«
Zustimmung von allen Seiten.
»Ich bitte um Ruhe!« Dealey hob die Arme, um die Versammlung zu besänftigen. »Wir dürfen uns jetzt nicht gehenlassen, und wir dürfen auch keine unsinnigen Risiken eingehen. Nur wenn wir überleben, haben wir eine Chance, den Menschen da draußen zu helfen. Wenn hier im Bunker Panik ausbricht, gibt es für die Überlebenden außerhalb des Bunkers keine Hoffnung mehr. Ich bitte Sie alle, dafür Verständnis aufzubringen!«
Farraday sprang auf. »Er hat recht. Wenn wir den Bunker zum jetzigen Zeitpunkt verlassen, setzen wir uns einer tödlichen Dosis radioaktiver Strahlen aus. Was nützt es den Menschen da draußen, wenn wir auf diese Weise Selbstmord begehen?«
Die Logik war allen verständlich, aber das Gefühl, jetzt und sofort helfen zu müssen, ließ sich damit nicht verscheuchen.
Wütende Zurufe wurden laut, bittere Anklagen, die Dealey, den Beamten des Verteidigungsministeriums, zur Zielscheibe hatten.
Es war die Ärztin, der es schließlich gelang, die Versammlung zur Ruhe zu bringen.
»Wer den Bunker verlässt, wird binnen weniger Tage sterben.« Sie sprach mit leiser Stimme, gerade so laut, dass man sie im ganzen Raum vernehmen konnte. Sie war aufgestanden und hatte ihre Hände in den Taschen ihres weißen Kittels vergraben. Es war der Kittel, der ihr in den Augen der verzweifelten Menschen Autorität verlieh. Dr. Reynolds war der Gegenpol zu Dealey, dem die meisten misstrauten, weil sie ihn für eine Marionette der Regierung hielten. »Und eines kann ich Ihnen versichern. An radioaktiver Strahlung zu sterben, das ist kein schöner Tod. Es beginnt mit Übelkeit und Erbrechen.
Die Haut reagiert mit Entzündungen, die sich auch auf die Schleimhäute ausbreiten. Schwächeanfälle folgen. Dann Diarrhö und Haarausfall. Auf der Haut zeigen sich große Brandblasen. Bei den Frauen kommt es, unabhängig von der Regel, zu einer Monatsblutung.
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