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Männliche Strahlenopfer haben starke Schmerzen im Genitalbereich. Wer die aufgenommene Strahlendosis, aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz, überlebt, wird unfruchtbar. Bleibt der Mann aber zeugungsfähig, so wird er erbgeschädigten Nachwuchs, Missgeburten, zeugen. Eine weitere Folge der Strahlung ist Leukämie, Blutkrebs. Der Tod tritt dann in den meisten Fällen durch Darmverschluss ein, die Menschen schreien vor Schmerzen. Nach langen Qualen sinkt der Verstrahlte in ein Koma, aus dem er nicht mehr erwacht.«
Sie sprach mit seltsam ausdruckslosem Blick. Für Culver stand fest, dieser Frau war jedes Mittel recht, um die Menschen davon zu überzeugen, dass es besser war, im Bunker zu bleiben.
»Alles in allem«, beendete sie ihren Vortrag, »werden Sie bald nach dem Verlassen des unterirdischen Schutzraums elend zu Tode kommen. Wer sich dem aussetzen möchte, den wird der Krisenstab nicht aufhalten. Ich werde jedenfalls dafür plädieren, dass man Sie gehen lässt, weil Menschen, die zum Selbstmord entschlossen sind, eine Gefahr für unsere kleine Gruppe darstellen. Wer von Ihnen macht den Anfang? Keine Freiwilligen?«
Sie nahm Platz, als sie sicher war, dass keiner der Versammelten ihrer Aufforderung folgen würde.
»Ich danke Ihnen, Frau Dr. Reynolds«, sagte Dealey. »Sie haben die Situation mit schonungsloser Offenheit geschildert.«
Die Ärztin hielt den Blick zu Boden gerichtet. Culver, der erwartet hatte, dass sie mit einem Kopfnicken auf Dealeys Danksagung eingehen würde, sah sich enttäuscht.
»Nachdem Sie über die tödlichen Gefahren, die Ihnen außerhalb des Bunkers drohen, informiert worden sind, möchte ich in konstruktiver Weise auf die Möglichkeiten zu sprechen kommen, die uns bleiben.« Dealey tippte mit den Fingerspitzen gegen seine Augenbinde, als verspürte er Schmerzen. »Ich sagte Ihnen bereits, dass wir in unserem Refugium nicht isoliert bleiben werden. Auch wenn die Nachrichtenverbindungen zur Zeit noch unterbrochen sind, steht fest, dass es eine größere Anzahl von Menschen gibt, die in ähnlichen Tiefbunkern wie dem unseren den atomaren Angriff überlebt haben. Ein Vorteil ist, dass alle Bunker durch die Tunnels der U-Bahn miteinander verbunden sind.«
»Durch Tunnels, die mit großer Wahrscheinlichkeit eingestürzt sind«, meldete sich ein Zwischenrufer.
Dealey konterte geschickt. »Ohne Zweifel sind eine Reihe von Tunnels bei der Detonation der Atombomben beschädigt worden«, räumte er ein. »Aber es ist kaum denkbar, dass alle Tunnels unpassierbar geworden sind. Es sind einfach zu viele.
Außerdem gibt es über der Erde Gebäude, die
atombombensicher errichtet wurden, zum Beispiel Montague House und die Admiralität in der Pall Mall. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind in London eine größere Anzahl sogenannter Zitadellen entstanden. Man versteht darunter bauliche Zentren mit Wänden und Fundamenten, die gegen Kernwaffen gehärtet sind. Was Atombunker angeht, so gibt es allein an der Nordtrasse der U-Bahn sechs Stück, einer davon in der Nähe der U-Bahnstation Clapham South, der nächste bei Stockwell…«
Culver beschlich das Gefühl, dass Dealey mit der Wahrheit zurückhielt. Ob man einem Vertreter der Regierung nach dem, was geschehen war, überhaupt noch trauen konnte?
»Der Sitz der Regierung wird an einen Ort außerhalb von London verlegt werden«, fuhr Dealey in seinem Vortrag fort.
»Das Land wird in zwölf Verwaltungsbereiche aufgeteilt…«
Hörten die Menschen Dealey überhaupt noch zu?
»… mit dreiundzwanzig Bezirken, die durch regionale Befehlszentralen…«
Was für einen Sinn ergab es, dass sich Dealey über Verwaltungsbereiche und regionale Befehlszentren verbreitete?
»Mr. Dealey!«
Alle Köpfe wandten sich zu Culver. Dealey hatte mitten im Satz zu sprechen aufgehört.
»Warum erzählen Sie den Leuten nichts von den Kreaturen, die draußen im Tunnel auf uns lauern?« Culver sprach mit ruhiger, ernster Stimme. Kate, die neben ihm saß, war starr vor Angst.
»Ich sehe keinen Grund, warum wir uns wegen dieser Kreaturen Sorgen machen müssten«, sagte Dealey kühl.
»Da bin ich ganz anderer Ansicht«, widersprach ihm Culver.
»Früher oder später müssen wir diesen Bunker verlassen. Da der Haupteingang verschüttet ist, bedeutet das, wir müssen durch den Tunnel.«
»Ich bezweifle, ob die Tiere überhaupt noch im Tunnel sind.
Der Hunger zwingt sie, an die Oberfläche zu gehen, wo sie an Strahlenvergiftung umkommen werden.«
Ein grimmiges
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