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Und selbst wenn es noch Tunnels gab, so gab es keinen Strom mehr, der die Züge bewegen konnte.
Die Familie hatte es ihm, dem Vater, zu verdanken, dass sie überhaupt noch lebte. Sian, seine Frau, hatte ein Gesicht gezogen, als er sich in die Broschüre vertiefte, die ein paar Wochen vor der atomaren Katastrophe mit der Post ins Haus geflattert war. Ein Leitfaden des Innenministeriums, für den Fall der Fälle. In einer ersten Eingebung hatte Ian das merkwürdige Heftchen in den Müll werfen wollen, aber dann überlegte er es sich anders. Sein Verstand sagte ihm, dass die Risiken, die in der Drucksache beschrieben wurden, nicht völlig von der Hand zu weisen waren. Eine Woche später, als sich die Krise in den Golfstaaten immer mehr zuspitzte, hatte er die Broschüre hervorgekramt und vom ersten bis zum letzten Wort durchgelesen.
Es waren einfache, leicht nachvollziehbare Ratschläge, die dort gegeben wurden. In den meisten Häusern, so hieß es im Text, gab es einen Keller, der als Schutzraum hergerichtet werden konnte. Natürlich folgte Ian nicht der Empfehlung, alle Fenster weiß zu streichen, schließlich wollte er sich vor den Nachbarn nicht lächerlich machen. Er beschränkte sich auf Maßnahmen, die von außen nicht eingesehen werden konnten.
Zum Beispiel brachte er zwei leere Eimer in den Keller. Einer davon würde im Ernstfall als Klo dienen, der andere als Behälter für Trinkwasser. Er schaffte Konserven nach unten.
Er legte ein paar Schlafsäcke bereit. Er kaufte zwei Taschenlampen und deckte sich mit Batterien ein. Er kaufte Kerzen, Plastikbehälter, einen kleinen Kocher,
Verbandsmaterial. Er legte einen Stapel Magazine und Bücher ins Kellerregal, nicht zu vergessen die Comic-Hefte für Kelvin.
Toilettenpapier. Von allem etwas.
Natürlich hatte er im Keller erst einmal Platz schaffen müssen. Als die Decke unter der Kellertreppe ausgeräumt war, schaffte Ian eine alte Matratze, die auf dem Boden lag, hinunter. Die Matratze und die wurmstichige Kommode, die schon vor Jahren ausrangiert worden war, würden als Schutz gegen die Druckwelle dienen, die bei der Explosion einer Atombombe zu erwarten war. Ian hatte darauf verzichtet, das Kellerfenster zuzumauern. Als die Sirenen zu heulen begannen, bedauerte er das. Immerhin, er hatte, so gut er konnte, Vorsorge getroffen. Und die Familie hatte den Atomschlag überlebt.
Gewiss, er hätte noch einiges mehr tun können. Er hätte im Keller einen richtigen kleinen Bunker aus Ziegelsteinen errichten können. Er hätte Sandsäcke in den Keller schaffen sollen, die zur Abschottung des Zugangs dienen konnten. Er hätte die Kellerdecke mit Eisenträgern abstützen und die Badewanne mit Wasser füllen können. Er hätte seine Familie nach Schottland schaffen können.
Alles Unsinn. Er hatte seine Pflicht getan. Es gab wenige Familienväter, die so umsichtig für ihre Lieben gesorgt hatten.
Vor allem, er war bei den Seinen gewesen, als die Bomben fielen.
Klimpton war Geschäftsmann, einer von der neuen Art. Sein Büro war zugleich seine Wohnung, und sein Vorgesetzter war der Computer, den er dort aufgestellt hatte. Es gab ein festes Vertragsverhältnis mit einer Firma. Mit Hilfe des Computers war Klimpton in der Lage, Verbindungen mit den
Niederlassungen des Unternehmens in aller Welt herzustellen, er brauchte dazu nur seine Finger über die Tastatur huschen zu lassen. Kein Gerangel mit neidischen Bürokollegen, keine Fahrt zur Arbeitsstätte, kein Kriechen vor dem Chef.
Trotzdem, es war kein bequemes Leben. Es gab jede Menge Arbeit, wobei Klimpton der Umstand zu Hilfe kam, dass er gern arbeitete. Er war zufrieden, besonders weil er auf diese Weise viel mit seinem geliebten Sohn, mit Kevin, Zusammensein konnte.
Wieder das kratzende, schürfende Geräusch.
Es schien aus dem Keller zu kommen.
Vielleicht der Hund? Hatte Cassie sich einen Eingang ins Haus gebuddelt?
Unmöglich. Klimpton hatte den Hund ausgesperrt, bevor er den kleinen Schutzraum abschottete. Der kleine Kevin war in Tränen ausgebrochen, als er das sah, aber was sollte man machen? Der Raum war so eng, dass für den Hund einfach kein Platz war. Außerdem wäre es unhygienisch gewesen, die Zuflucht mit einem Haustier zu teilen. Verdammt noch mal, er hatte schon genug Sorgen, da konnte er sich nicht auch noch um den Hund kümmern. Sie hätten das Tier von den Vorräten ernähren müssen, die Klimpton in den Wochen vor der Katastrophe nach unten geschafft hatte. Also war der Hund draußen
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