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ein Fehler unterlaufen. Als er zwischen Bunker und Haus hin und her rannte, um die Vorräte zu vervollständigen, hatte er die Einstiegsklappe offenstehen lassen. Nur wenige Sekunden, aber die Zeit hatte dem Tier genügt, um sich durch den Spalt zu zwängen. Erst am Morgen nach dem Holocaust hatte Maurice den kleinen Eindringling entdeckt.
Er hatte eine genaue Erinnerung daran, wie es in der Stunde Null zugegangen war. Der Alptraum, der sich in Wirklichkeit verwandelte, hatte sich unauslöschlich in sein Gedächtnis eingeprägt. Gott, was hatte er für Ängste ausgestanden! Aber später, als die Explosion verhallt war, hatte sich Kelp pudelwohl gefühlt.
Die monatelange Arbeit, die mit dem Ausschachten, mit dem Bau und dem Einräumen des Bunkers verbunden war, hatte sich bezahlt gemacht. Er triumphierte über die Nachbarn, die ihn verspottet hatten. ›Mausoleum Maurice‹ hatten sie sein Bauwerk genannt. Nun, es war kein Mausoleum, sondern ein wunderschöner Schutzraum. Eine Konstruktion, die in den entscheidenden Sekunden ihre Belastungsfähigkeit bewiesen hatte. Allerdings war der Bunker nicht für den Aufenthalt von Haustieren geeignet…
Er hatte auf seinem schaumgummigepolsterten Bett gelegen.
Mit einer brüsken Bewegung setzte er sich auf. Der Gestank im Bunker war ekelerregend, trotzdem musste Maurice Luft holen. Das Gaslicht erhellte sein bleiches verschwitztes Gesicht.
Wie viele Menschen die Katastrophe wohl überlebt hatten?
Er war immer gern allein gewesen. Jetzt bestand die Möglichkeit, dass er den Rest seiner Tage ungestört bleiben würde. Er ertappte sich bei dem Gedanken, dass ein solches Ausmaß an Einsamkeit vielleicht doch nicht wünschenswert war.
In den Minuten zwischen Alarm und Katastrophe hätte er natürlich ein paar Nachbarn im Bunker aufnehmen können, vielleicht ein oder zwei Personen, aber das Gefühl der Genugtuung, als er den Leuten die Luke vor der Nase zuschlug, war schier unwiderstehlich gewesen. Nachdem er die Luke von innen gesichert hatte, war der Schutzraum luftdicht von der Außenwelt abgeschlossen. Das Heulen der Sirenen war danach nur noch so laut wie das Summen einer Fliege gewesen, und das Geräusch, das die Nachbarn verursachten, indem sie mit Fäusten auf die versperrte Luke schlugen, erinnerte Maurice an die kurzen, kaum vernehmlichen Töne, die Mücken von sich gaben, wenn sie mit ihren winzigen Köpfen gegen eine Fensterscheibe prallten. Aber nach dem großen Knall, nach dem gewaltigen Beben, das die Erde erzittern ließ, hatten auch diese Geräusche aufgehört.
Als die Druckwelle die Außenwände des Bunkers erreichte, war Maurice von seinem Feldbett auf den Fußboden katapultiert worden. Eingewickelt in das Betttuch, lauschte er dem dumpfen Donnern, verfolgt von der Vorstellung, dass die Metallschale des Bunkers von der gewaltigen Explosion, die sich draußen entlud, aufgespalten werden könnte. Er musste dann wohl das Bewusstsein verloren haben, jedenfalls gab es eine Erinnerungslücke, die sich auf einen Zeitraum von ein paar Stunden erstreckte. Als er aufwachte, lag er auf seinem Feldbett. Ein Gewicht lastete auf seiner Brust, und stinkender, warmer Atem wehte ihn an.
Als er einen Schrei ausstieß, war das Gewicht jäh von ihm fortgenommen worden. Zurück blieb ein Schmerz an der Schulter, den Maurice sich nicht erklären konnte. Nach einigem Suchen hatte er die Taschenlampe gefunden, die auf den Boden gerollt war. Wenig später hatte er die pfefferfarbene Katze entdeckt, die unter seine Pritsche geflüchtet war und ihn aus ihren gelben Augen ansah.
Er hatte nie viel für Katzen übrig gehabt. Die Abneigung war gegenseitig gewesen. Aber jetzt hatte sich eine Katastrophe ereignet (zumindest für die Menschen draußen war es eine Katastrophe), und Maurice machte sich mit dem Gedanken vertraut, dass er für einige Zeit mit dem schlanken, geschmeidigen Geschöpf, das zu ihm geflüchtet war, auskommen musste.
»Komm her«, lockte er. »Du brauchst doch jetzt keine Angst mehr zu haben.« Er sah, wie das Tier den Kopf zwischen die Pfoten legte. Es duckte sich zum Sprung. »Übrigens wüsste ich gern, ob du ein Junge oder ein Mädchen bist.« Es dauerte ein paar Tage, bis er herausfand, dass es sich um eine Katze, nicht um einen Kater handelte.
Die Katze ließ sich nicht locken. Sie hatte den Donner und die Erschütterung als überaus störend empfunden, und den Geruch des Mannes, der mit seinen Gesten ihr Misstrauen einzuschläfern versuchte, fand sie
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