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Domain

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Titel: Domain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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Mädchens
    gekrochen. Das Tier drehte eine Runde auf dem Hals, bevor es im schlohweißen Haar des Kindes verschwand.
    Die Frau goss ihrem Mann Tee ein, der aus klarem Wasser bestand. Als sie das Milchkännchen aufhob, kam ein Silberfischchen herausgeklettert.
    »Sammy, du hörst jetzt zu plappern auf und isst dein Toastbrot zu Ende. Und zieh dir deine Schulkrawatte gerade; wie oft muss ich dir das noch sagen? Von einem zehnjährigen Jungen darf ich erwarten, dass er sich selbständig anzieht.«
    Der Sohn hielt den Blick auf das verschimmelte Brot gerichtet. Er grinste. Es sah aus wie das Grinsen einer Bauchrednerpuppe. Dass die Gemütsäußerung nicht natürlicher wirkte, lag an den Backenmuskeln des Jungen, die einen längeren Schrumpfungsprozess durchgemacht hatten. Ein weißer Film lag über seinen Augäpfeln. Der Löffel lag mit der Wölbung nach unten in der klauenartigen Hand. Der Junge war mit einer Schnur an seinem Stuhl festgebunden.
    Die Frau hatte zu würgen begonnen. Sie erbrach auf die Erde.
    Der Schmerz in ihren Eingeweiden war wie tausend Scheren.
    Der gleiche Schmerz wütete in ihrem Kopf. Für eine Sekunde kehrte die Erinnerung an den Blitz wieder, an den Donner und an die unheimliche Stille, die damals begonnen hatte. Zum gleichen Zeitpunkt hatte die schleichende Krankheit Besitz von ihr ergriffen.
    Vergessen, vorbei. Die Frau wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und nahm wieder auf ihrem Stuhl Platz. Der Schmerz ebbte ab, aber sie wusste, das Gefühl würde im Hintergrund lauern und zurückkehren, wenn sie es am wenigsten erwartete, ein bisschen wie der chinesische Diener von Inspektor Clouseau, der auch immer im ungeeignetsten Moment das Zimmer betrat. Beinahe hätte die Frau gelächelt, das lag an den schönen Erinnerungen.
    Sie nippte an ihrer Tasse und verscheuchte den
    Fliegenschwarm, der sich auf Tinas Kopf niedergelassen hatte, mit einer ungeduldigen Handbewegung. Es irritierte sie, dass ihr Mann sie seit vielen Wochen aus pupillenlosen Augen ansah. Sie wusste, dass er seine Pupillen hinter den Lidern verstecken konnte. Er hatte das oft getan, wenn er sie ärgern oder erschrecken wollte. Aber so lange? Man konnte einen Scherz auch zu weit treiben.
    »Was unternehmen wir heute?« fragte sie und warf einen Blick in die Runde. Sie hatte vergessen, dass es ein normaler Werktag war. »Wir könnten einen Spaziergang durch den Stadtpark machen. Ich weiß nicht, ob ihr es gemerkt habt, aber es hat endlich zu regnen aufgehört. Mein Gott, ich dachte, es würde bis in alle Ewigkeit weiterregnen. Du auch, Barry, oder?
    Ich muss später ein paar Einkäufe machen, aber ich denke, vorher machen wir unseren Spaziergang. Man muss das gute Wetter ausnützen, nicht? Sammy, du kannst deine Rollschuhe mitnehmen. Ja, du auch, Tina, du bist schließlich nicht unser Stiefkind. Vielleicht spendiere ich euch beiden auch Kinokarten. Nein, du sollst jetzt nicht aufspringen und wie ein Derwisch herumtanzen, Tina. Wir verlassen das Haus erst, wenn du deinen Teller leergegessen hast.«
    Sie lehnte sich zu ihrer Tochter und tätschelte ihr die Faust.
    »Ich weiß, dass du ungeduldig bist. Ich verspreche dir, wir werden uns einen schönen Tag machen. Es wird sein wie in alten Zeiten.« Sie senkte ihre Stimme zum Flüsterton. »Wie in alten Zeiten.«
    Tina war vom Stuhl gerutscht und landete unter dem Tisch.
    »Lieb von dir, dass du an deine Puppe denkst. Cindy darf natürlich mitkommen in den Park. Steht was Interessantes in der Zeitung, Barry? Was sich die Menschen alles ausdenken, wirklich erstaunlich. Manchmal könnte man es mit der Angst zu tun bekommen. Man fragt sich, was aus der Welt noch wird.
    Man fragt sich, was, zum Teufel, morgen in der Zeitung steht.
    Manieren, Samuel! Wenn du aufstößt, musst du die Hand vor den Mund halten.«
    Sie kratzte den Schimmel von einer Brotschnitte und biss ab.
    »Laß deinen Tee nicht kalt werden, Barry. Du hast noch den ganzen Tag Zeit zum Zeitungslesen. Ich werde mich gleich etwas hinlegen; ich fühle mich heute nicht besonders wohl.
    Wahrscheinlich kriege ich eine Grippe.«
    Die Frau warf einen Blick auf das zerbrochene Fenster. Der warme Wind, der von der Straße hereinstrich, spielte mit der schütteren Haarsträhne, die ihr in die Stirn hing. Sie sah die vom Atomkrieg zerstörte Stadt, ohne sie zu bemerken.
    Sie wandte sich wieder ihrer Familie zu. Die schwarze Fliege, die auf der Wange ihres Mannes gesessen hatte, krabbelte über seine Zähne und verschwand in der

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