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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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Stiege hinauf und blieb vor der Tür zur Kammer seiner Mutter stehen. Sie war offen.
    »Welch eine Schweinerei«, hörte er jemanden sagen.
    »Ja, schlimmer als bei den Kaufleuten«, antwortete ein anderer Mann, dessen Stimme älter klang. »Die gleiche Waffe, aber dieses Mal hat er sie nicht einfach nur zum Abstechen, sondern erst einmal zum Foltern benutzt.«
    »Was für eine Bestie bringt erst drei Kaufleute und dann seine eigene Mutter derart um? Das ergibt doch alles keinen Sinn.«
    Paulus zog den Kopf unter dem niedrigen Türsturz ein und betrat die Kammer. Die beiden Männer, deren Stimmen er gehört hatte, knieten vor dem Lager seiner Mutter. Beide schauten unter die Decke, die der Jüngere hochhielt. Paulus konnte nicht sehen, was Nox seiner Mutter angetan hatte. Er wollte es auch nicht. Er war wie gelähmt.
    »Da! Da ist er!« Paulus hörte Henners Stimme wie durch dickes Tuch. Der Hurenwirt stand hinter den beiden Männern. »Ich habe Euch doch gesagt, wenn Ihr seine Mutter habt, habt Ihr auch ihn. Ich habe ihn zuerst gesehen. Die Belohnung gehört mir.«
    Es war vorbei. Paulus wusste es. Das sagte ihm sein Kopf. Aber was in seinem Kopf geschah, war bedeutungslos. Sein Herz setzte aus, sein Magen verkrampfte sich, sein Brustkorb schien von Stricken zusammengeschnürt zu werden. Paulus glaubte ins Nichts zu stürzen, ohne Hoffnung, den Fall aufzufangen. All seine Wünsche nach einem guten Ausgang des Abenteuers hatten in dieser Kammer ein blutiges Ende gefunden.
    Willenlos, wehrlos, so ließ er sich festnehmen. Als sie bei ihm den Panzerbrecher fanden, stand für die Büttel fest, wer die Morde begangen hatte.
    Gerhard richtete den Blick gen Himmel. Kaum ein Lüftchen rührte sich, unerbittlich brannte die Sonne in den Domhof. Es war heiß, wie in den vergangenen Tagen. In der Ferne, jenseits des Flusses, verdunkelte sich der Himmel. Heute würde die Hitze ein Ende finden. Ein Gewitter lag in der Luft. Gerhard hoffte inständig, Sturm und Regen blieben auf der anderen Seite des Rheins.
    Er befeuchtete einen Finger und prüfte den Wind. Schwach war er und kam aus Westen, wie meist. Das beruhigte den Baumeister. Die leichte Brise würde die pechschwarzen Wolken fernhalten. Hauptsache, der Wind frischte nicht auf und drehte sich nicht. Starker Regen konnte das Feuer löschen, bevor die Tunnel vollständig eingestürzt waren – eine Katastrophe, denn die verbliebenen Hohlräume bargen Gefahren. Gerhard würde keine Helfer finden, um unter dem schwankenden Dom neue Gänge zu graben.
    Er trieb seine Männer zur Eile an. Die Eingänge der Stollen sollten so bald als möglich mit Reisig und Zunder gefüllt und in Brand gesetzt werden. Gerhard sah auf den Fluss hinaus. Jenseits des anderen Rheinufers sammelten sich die Gewitterwolken.
    Auf feuchtem Stroh kam Paulus wieder zur Besinnung. Er war allein, in einer dunklen Zelle. Schmerzhaft kehrte die Erinnerung zurück. Sie hatten ihn in die Hacht gebracht, das Gefängnis des Erzbischofs, gleich am Palast. Es war das Verlies für Mörder und Totschläger, jener Kölner Kerker, den ein Häftling nur verließ, um vom Henker gegen den Blauen Stein gestoßen zu werden, den Stein vor dem Hochgericht, der das Urteil bestätigte.
    An den Weg vom Hurenhaus zur Hacht konnte sich Paulus nur verschwommen erinnern. Schläge, Fesseln und Fragen, so viele Fragen. Keine hatte er beantwortet. War er in Ohnmacht gefallen? Hatten sie ihn bewusstlos geschlagen? Paulus wusste es nicht. Seine Gedanken begannen zu kreisen.
    Matthias? Tot.
    Seine Mutter? Tot.
    Barthel? Schwer verletzt.
    Angela? Sie hatte ihn vielleicht verraten.
    Jenne? Wo war Jenne, seine ewige Retterin? Alles war verloren. Nox hatte gewonnen.
    Wie Wellen wogten Geräusche an sein Ohr, anschwellend, bis der Lärm ihn dauerhaft bestürmte. Stimmen. Viele Stimmen, wie von einer großen Menschenmenge. Paulus stand auf. Er trat an die gegenüberliegende Zellenwand, die aus groben Steinen gemauert war. In Kopfhöhe war eine kleine Öffnung im Mauerwerk eingelassen, gerade groß genug, dass Paulus einen Arm durchstecken konnte. Sie eröffnete den Blick auf den Domhof. Der Platz war voller Menschen. Rechter Hand, mit bestem Blick auf den Ostchor und seine drei Türme, war eine Tribüne aufgebaut. Heute war der große Tag, der Auftakt zum Dombau. Immer mehr Menschen drängten von beiden Seiten auf den Domhof, von links durch die Hachtpforte, von rechts durch die Drachenpforte.
    Mit einem Mal ging ein Raunen durch die Masse. Die

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