Domfeuer
Mühe, seine Belustigung zu verbergen. »Indien? Wie kommst du denn darauf?«
»Nur so. Was wisst Ihr über die Münze?«
»Das ist ein Groschen.«
»Ja, sicher, aber was für ein Groschen?«
Balthasar hob die Hand und bedeutete Paulus, sich zu gedulden. »Eigentlich ein grossus denarius , ein dicker Denar. Ein Groschen hat den Wert von mehreren Denaren. Wo der Denar an Wert verloren hat, lässt man solche Groschen prägen. Dieser hier ist auch noch in einer anderen Hinsicht neuartig, und ich habe wirklich noch nicht viele dieser Art gesehen. Schaut her.« Balthasar zeigte die Seite mit dem Kreuz. »Seit den Zeiten Karls des Großen werden die Denare im Reich nach dem gleichen Muster geschlagen. Die Vorderseite zeigt ein Kreuz, genau wie diese hier, die Rückseite zeigt eine Kirche. Bei diesem Groschen aber«, er wendete die Münze und deutete auf das Bild, »ist die Rückseite anders gestaltet. Hier seht ihr einen Bischof. Der umlaufende Schriftzug verrät uns seinen Namen und damit auch die Herkunft der Münze.«
Jenne und Paulus sahen Balthasar erwartungsvoll an. »Nun sagt schon!«
»Der Name des Bischofs lautet Ambrosius.«
Wenn es etwas gab, womit Paulus sich auskannte, dann waren es die Heiligen. Als Patron der Krämer, Imker, Wachszieher und Honigkuchenbäcker gehörte Ambrosius zwar nicht zu den Heiligen, die er regelmäßig anrief, doch lag der Gedenktag des Bischofs, der vierte Tag im April, noch nicht allzu lange zurück. Erbsen säe Ambrosius, so tragen sie reich und geben Mus, sagten die Bauern. Paulus wusste genau, wo der Heilige vor vielen hundert Jahren gewirkt hatte.
»Mailand«, sagte er.
Balthasar nickte. »Genau. Mailand. Nicht Indien.«
Paulus und Jenne hasteten über das Pflaster der Straße Unter Spornmacher. Es war nicht mehr weit bis zu Henners Hurenhaus.
»Mailand? Was bedeutet das?«, fragte Jenne.
Paulus sah zu ihr hinüber. »Zumindest bedeutet es, dass die Herren von Madras nicht aus Indien kommen, sondern einen weit kürzeren Weg hinter sich haben. Täuscher sind es, Blender und Betrüger. Die Münzen sind der letzte Beweis.«
»Aber was wollen sie in Köln? Warum lassen sie Kaufleute umbringen? Warum haben sie Reisig und Pech an Bord?«
»Weiß der Kuckuck, was sie in Köln wollen. Irgendetwas Großes, irgendetwas Hinterhältiges jedenfalls. Ich weiß nur eines – wenn ich mein Leben retten will, muss ich sie aufhalten.«
Ein Knall ließ die beiden zusammenschrecken. Doch war es nur ein Gürtelmacher, der in seiner zur Straße offenen Werkstatt ein langes Lederstück prüfte und es wie eine Peitsche schlug.
»Ich habe gehört, Köln lag früher mit den Städten im Norden Italiens im Krieg.«
»Nicht nur Köln«, sagte Paulus. »Kaiser Barbarossa hat gegen die norditalienschen Städte Krieg geführt und damit das ganze Reich. Der Rotbart war es auch, der Köln die Heiligen Drei Könige geschenkt hat.« Er blieb unvermittelt stehen und schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn, dass es beinahe so laut knallte wie das Leder des Gürtelmachers.
»Das wird es sein!«, rief er aus und drehte sich Jenne zu. »Was ist das Wertvollste, das die Stadt besitzt?«
Sie brauchte nicht lange zu überlegen. »Die Heiligen Drei Könige und der Schrein.«
»Na, und woher stammen die Gebeine?«
Jedes Kind in Köln wusste das. »Mailand.«
»Deshalb sind sie hier.« Paulus setzte seinen Weg fort. Sie bogen nach links ab, in Richtung der Kupfergasse und des Hurenhauses. »Sie wollen uns den Schrein der Heiligen Drei Könige und noch dazu die Gebeine stehlen. Sie wollen sie heimholen. Heim nach Mailand.«
Jenne folgte ihm auf dem Fuß. »Das glaubst du doch selbst nicht. Dafür braucht es ein Heer. Meinst du nicht, die Mailänder würden eher mit ihren Rittern vor den Stadttoren auftauchen?«
»Wohl kaum. Auch in Italien dürfte sich herumgesprochen haben, welche Mauer unsere Stadt umgibt. Das Heer will ich sehen, das uns besiegt.«
Sie kamen durch die Kupfergasse in die Schwalbengasse und erreichten Henners Hurenhaus. Vor der Tür blieb Paulus stehen. Er sah hoch zur Fachwerkwand, hinter der sich die Kammer seiner Mutter befand.
»Es wird alles gut sein«, sagte er mehr zu sich selbst denn zu Jenne. »Wenn Nox sie umgebracht hätte, wäre es hier nicht so friedlich.«
»Das werden wir gleich wissen. Geh schnell hinein. Ich bleibe vor dem Haus und warte. Wegen Henner. Du weißt schon.«
Paulus nickte und trat durch die Tür. Der Schankraum war verlassen. Er stürmte die
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