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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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sich nicht in meiner Nähe zu befinden. Du bist guter Hoffnung, Guda, und du wirst dich um unseren Wilhelm kümmern müssen.«
    »Rede nicht so, Mann. Du sprichst, als kämest du nie wieder.«
    Er sah sie an, und Tränen füllten seine Augen. Dann küsste er sie ein letztes Mal und ging mit den Männern fort.
    Jemand hämmerte so heftig gegen seine Tür, dass Henner sich sputete, sie zu öffnen. Er zog sie einen Spalt weit auf. Vor seinem Hurenhaus standen zwei Bewaffnete, deren rot-schwarze Kleidung sie als Diener der Gewaltrichter auswies. Einer der Männer schaute ihn freundlich an.
    »Ihr schon wieder, Büttel. Was wollt Ihr?«
    »Es geht um Eure Anzeige, Wirt«, sagte der weißhaarige Büttel.
    Henner zog die Tür weiter auf. »War mein Hinweis doch wertvoller, als Ihr zunächst dachtet? Bekomme ich nun doch meinen Teil von der Belohnung?«
    »Oh, verzeiht. Ich glaube, da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt. Es geht nicht um die Anzeige, die Ihr gemacht habt. Es geht um eine Anzeige gegen Euch, die ein Herr Pieter de Witte beim Schöffengericht eingereicht hat. Ihr sollt ihn um sein Vermögen bestohlen haben.«
    »Ich? Das war ich nicht. Das war eine meiner Huren.«
    »So wisst Ihr also von dem Geschehen?«
    Henner biss sich auf die Lippe. Das durfte nicht wahr sein.
    »Und dann habt Ihr nichts zur Aufklärung dieses Diebstahls beigetragen? Ich denke, Henner, Ihr solltet uns zum Hochgericht begleiten.«
    Paulus hörte Stimmen. Sie sangen. Halleluja, Hosianna und Kyrieleis. Er hörte Lautenspiel und Schellen. Glockengeläut und Jubel. Das musste der Himmel sein.
    Seine Lider flatterten. Dann schlug er die Augen auf. Alles weiß, alles rein. Die schönen Geräusche hielten an. Nein, das war kein Traum. Er lag so weich, wie er noch nie in seinem Leben gelegen hatte. Wie auf Federn. Auch die Laken waren blütenweiß. Aber der Himmel konnte es auch nicht sein. Selbst wenn es viele Anzeichen dafür gab, so sprachen doch die heftigen Kopfschmerzen dagegen. Und der Brandgeruch. Nein, im Himmel durfte nichts wehtun, durfte es nicht nach Feuer riechen. Das war der Hölle vorbehalten.
    Paulus zog einen Schluss, den er für unumstößlich hielt. War er weder im Himmelreich noch in der Hölle, musste er sich zwangsläufig dazwischen befinden. Auf Erden folglich und demnach am Leben. Er betastete seinen Kopf und fand eine riesige Beule, die seinem Schädel Pein bereitete. Mit den Schmerzen kehrte die Erinnerung zurück.
    Der Dom.
    Die Kogge.
    Das Inferno.
    Paulus setzte sich auf. Musik und Gesang gewannen an Lautstärke. Die Klänge drangen durch ein Fenster zu ihm. Er schlug das Laken zurück, wunderte sich über seine Nacktheit und stellte sich behutsam auf die Füße. Mit wackligen Schritten ging er ans Fenster und stützte seine Hände auf die steinerne Brüstung. Die bloßen Mauern und einige rußschwarze Umrisse auf dem Boden waren alles, was vom Kölner Dom geblieben war. Der Anblick versetzte ihm einen Stich ins Herz.
    Paulus lehnte sich ein Stück aus dem Fenster. Er befand sich im oberen Geschoss des Bischofspalastes, jenes Bauwerks, das einst Rainald von Dassel hatte errichten lassen. War er Gast oder Gefangener?
    Paulus wusste es nicht. Wenigstens war er nicht wieder in der Hacht. Er ging zur Tür und drückte die Klinke. Verschlossen. Nun hörte er Schritte auf dem Gang, die sich schnell entfernten. Vermutlich hatte er gerade verraten, dass er aufgewacht war. Es dauerte nicht lange, bis er wieder Schritte hörte. Ein Riegel wurde zurückgezogen, die Tür öffnete sich.
    Barthel.
    Die Brüder sagten nichts, sie fielen sich wortlos in die Arme. Paulus konnte die Tränen nicht lange zurückhalten. Fest, ganz fest hielt er seinen Bruder, nur um ihn nicht aus der Umarmung zu entlassen, denn das hätte bedeutet, mit Barthel reden zu müssen. Dann musste er ihn fragen, wie es Bärbel ging. Ob sie lebte. Ob dem ungeborenen Kind etwas geschehen war. Ob Jenne lebte.
    Eine halbe Ewigkeit vermochte Paulus sich so an Barthel zu klammern, dann aber entzog der sich seinem Griff. Barthel sah ihn gequält an.
    »Ich habe schlechte Nachrichten.«
    Paulus schluckte. Er versuchte es zumindest. Ein Kloß im Hals verhinderte, dass er irgendeine Frage, ja auch nur irgendein Wort herausbringen konnte. Tränen rollten über seine Wangen. Er räusperte sich. »Bärbel?«
    Ein Nicken. »Sie liegt nebenan.«
    Barthel humpelte voran, vorbei an einem Bewaffneten des Erzbischofs, der auf dem Gang vor der Tür wartete, und Paulus

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