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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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verlauste Decke bis zum Hals hochgezogen. Er zitterte, obwohl es wieder heiß geworden war.
    »Matthias?«
    Der Bruder fuhr herum und sah Paulus mit weit aufgerissenen Augen an. Sein Gesicht war fahl, die Augen lagen tief in ihren Höhlen. Sofort drehte er sich wieder um und zog die Decke noch ein Stück höher.
    »Matthias, du lebst!«
    Paulus wunderte sich, dass doch noch ein Fünkchen Freude in seiner Stimme lag. Doch wenn Nox Matthias nicht umgebracht hatte, gab es vielleicht noch mehr Dinge, die der Schlächter schlicht erstunken und erlogen hatte. Rasch zwängte er sich zwischen den Brettern hindurch ins Innere des Verschlags.
    »Matthias, rede mit mir.« Paulus versuchte, seinen Bruder zu sich zu drehen. Doch der fauchte nur, mit einer Stimme, die einem Tier hätte gehören können.
    »Was ist mit dir?«
    »Geh weg!«
    Paulus erschrak. Das konnte nicht sein Bruder sein. Die Stimme klang gebrochen, rau, als ob jemand zwei Steine aneinanderrieb. Wie von einem anderen Wesen. Unwillkürlich rutschte er ein Stück zurück.
    »Bist du das, Matthias?«
    Matthias atmete schwer, die Decke hob und senkte sich schnell. Nur langsam fand er zu einem regelmäßigen Rhythmus. Dann drehte er sich um und schaute Paulus mit einem wirren Blick an. Die Decke rutschte ein Stück auf die Brust herab und gab den Hals frei. Was Paulus sah, ließ ihm den Atem stocken. Matthias’ Kehle war seltsam verformt und die Haut in dunklen Tönen von Rot und Blau verfärbt. Nox hatte nicht gelogen. Er war Matthias tatsächlich an die Gurgel gegangen. Vermutlich hatte er ihm den Kehlkopf eingedrückt. Und er hatte tatsächlich geglaubt, er habe Matthias tödlich verletzt.
    Für einen Augenblick wollte Paulus den heiligen Remigius anrufen, der sich besonders gut auf Erkrankungen des Halses verstand. Aber er verkniff es sich. Paulus’ Puls beschleunigte sich. Er hatte zwar Matthias nicht verloren. Aber Nox hatte dennoch die Wahrheit gesagt. Und das bedeutete, dass vor ihm ein Verräter lag. Sein eigener Bruder hatte ihn für ein paar schäbige Mailänder Münzen verkauft. In Paulus kochte die Wut hoch. Sie spülte alles Mitleid und das letzte bisschen Bruderliebe fort.
    »Warum hast du das getan?«, schrie er Matthias an und packte ihn am Kragen. Die widerlichen knackenden Geräusche, die der Kehle seines Bruders entwichen, bremsten ihn nicht. Paulus schüttelte Matthias, als gelte es, die Wahrheit aus ihm herauszuschleudern.
    »Warum?«, gab Matthias zurück. Es bereitete ihm hörbar Mühe, den Worten Laute zu geben, aber sie drängten aus ihm heraus. »Warum, willst du wissen? Ganz einfach. Weil ihr mich ankotzt. Darum. Weil alle so viel haben, nur ich nicht. Darum. Weil ihr euch alle gegen mich verschworen habt und mir nicht den Dreck unter den Nägeln gönnt. Darum, darum, darum. Ich hasse euch. Dich und unseren angeblich hochherrschaftlichen Halbbruder. Ihr könnt tun, was ihr wollt, und macht doch keine Fehler. Dem edlen Barthel wird der feine Mehlstaub in den Arsch geblasen, ohne dass er einen Finger krumm machen muss. Und du hast dich auch von mir abgewendet, hast mich und das Leben auf der Straße zurückgelassen, nur um etwas Besseres zu werden. Aber das bist du nicht. Niemand ist etwas Besseres als ich.«
    Ein Hustenanfall unterbrach den Redeschwall. Matthias hielt sich den Hals und verzog vor Schmerzen das Gesicht. Nox musste seine Kehle schwer verletzt haben.
    »Wir haben uns abgewendet? So ein Unsinn! Es war nur niemand bereit, dir auf die Straße zu folgen. Und ich habe nie behauptet, dass ich etwas Besseres bin als du. Oder etwas Besseres werden will.«
    »Aber Barthel sagt es, wann immer sich die Gelegenheit bietet. Das Leben ist ungerecht zu mir. Ich wollte mir meinen Anteil zurückholen.«
    »Und das ist für dich schon Grund genug, Barthels Vater einem Mörder auszuliefern? Und mich gleich mit dazu?«
    »Na und?«
    »Du selbstsüchtiges Arschloch! Neidisch bist du, eifersüchtig. Viel hätte nicht gefehlt, und ich würde nun an einem Galgen baumeln.«
    »Was beklagst du dich? Du hast es doch überlebt.«
    »Mutter aber nicht. Du hast auch sie an Nox verraten, stimmt’s?«
    Dieser Einwand wenigstens brachte Matthias für einen Augenblick zum Verstummen. Er hielt Paulus’ Blick nicht stand. Sein Röcheln füllte den Verschlag. »Sie hat es nicht besser verdient«, krächzte er.
    »Sie war unsere Mutter.«
    »Sie war eine falsche Schlange. Gegeneinander ausgespielt hat sie uns. Barthel hat sie das Erbe versprochen, dir hat sie

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