Domfeuer
bitte?«
»Ach, nichts.« Konstantin kniete sich neben die Leiche, um sie genauer zu betrachten. »Armer Kerl. Wollte wohl mit dem Kopf durch die Wand.«
»Das glaube ich nicht.«
»Richtig. Das sagtet Ihr bereits. Aber warum glaubt Ihr an Mord? Könnte es nicht auch ein Unfall gewesen sein?«
Gerhards Gesicht ließ Zweifel erkennen, ob Konstantin der richtige Mann für diesen Fall war. Er trat an die andere Seite des Toten. Rechts und links von ihnen lagen große Quader, als habe ein Riese im Domhof mit Würfeln gespielt. Die Leiche befand sich dort, wo mehrere dieser Steine zu einer kleinen Mauer aufgetürmt waren.
»Ist das nicht offensichtlich?«
»Erzählt mir doch einfach, was Euch durch den Kopf geht, Meister Gerhard. Eure Beobachtungen könnten wertvoll für mich sein. Fangt vorne an. Was geschieht hier?«
Ein Seufzer entwich Gerhards Brust. »Also gut. Wir beginnen erst in ein paar Wochen mit dem Bau, und in der Zwischenzeit arbeiten meine Männer schon mal mit dem Material. Die Steinmetze machen sich mit dem Stein vertraut, hauen die Blöcke zurecht, schauen, wie gut sie sich zusammensetzen lassen. Andere Werkmeister testen die Belastbarkeit der Kräne, wieder andere bereiten die Rampe auf der Trankgasse vor, auf der die Steine, die per Schiff geliefert werden, hoch zur Baustelle befördert werden. Hier finden noch keine wirklich gefährlichen Arbeiten statt. Es ist eine Dombaustelle in kleinem Rahmen. Und gerade weil sie so klein ist, sind Unfälle dieser Art hier nicht möglich.«
»Steine sind schwer und können fallen.«
»Aber nicht von allein. Sagt mir, wie kann dieser Mann seinen Kopf hier abgelegt und der Stein auf ihn gefallen sein?«
Konstantin nickte. »Ich stimme Euch zu. Jemand muss dem Quader nachgeholfen haben. Wer ist der Mann?«
»Er hieß Burkhart. Er war ein Werkmeister mit einer ganz besonderen Aufgabe. Er sollte morgen früh den Ostchor des Doms niederlegen. Eigentlich hatte er hier auf der Baustelle gar nichts zu suchen. Er arbeitete in den Tunneln, die von der anderen Seite unter den Dom führen.«
Konstantin erhob sich und machte ein paar Schritte von der Leiche weg. Gerhard folgte ihm.
»Was könnte er hier gesucht haben?«, fragte Konstantin.
»Das kann ich nur vermuten. Wir hatten hier in den vergangenen Monaten einige Diebstähle. Vielleicht wollte er heute Nacht noch nach dem Rechten sehen.«
»Woraus schließt Ihr, dass es in der Nacht geschehen ist?«
»Wir waren gestern Abend in meinem Haus zum Essen verabredet. Burkhart kam nicht, und so machte ich mich auf die Suche. Zunächst suchte ich natürlich an den Tunneln und dann auch hier auf der Baustelle. Aber niemand von den Männern, die noch hier waren, hatte ihn gesehen. Eines kann ich Euch also versichern – gestern Abend bei Einbruch der Dunkelheit lag Burkhart noch nicht hier.«
»Aber er war womöglich bereits in Schwierigkeiten.«
Gerhard hob die Schultern. »Jedenfalls war ich überrascht, dass Burkhart meine Frau und mich versetzte. Das passte nicht zu ihm.«
»Welcher Art waren die Diebstähle?«
Gerhard verzog den Mund. »Jeder Art. Nur die Steine haben die Diebe liegen lassen. Holz, Reisig, Werkzeug – einfach alles haben sie mitgenommen.«
Konstantin ging ein paar Schritte über die Baustelle, um sich ein wenig umzusehen. Als er dabei unversehens aus dem schützenden Schatten des Doms trat, blendete ihn das grelle Licht der Sonne. Er riss eine Hand hoch und hielt sie vor das Gesicht. Wenn einem schon der Kopf wehtat, warum musste Licht dann auch noch schmerzhaft sein? Reumütig kehrte er in den Schatten zurück. »Hatte dieser Burkhart Feinde? Unzufriedene Arbeiter vielleicht? Männer, die er zu sehr geknechtet hatte?«
»Er war hart gegen andere, aber wenigstens genauso hart gegen sich. Und so hart, wie er war, so gerecht war er auch. Ich kenne niemanden, der ihm den Tod wünschte. Abseits der Baustelle war er ein Eigenbrötler. Er hatte keine Freunde. Aber auch keine Feinde.«
Konstantin hob eine Braue. Gerhard war offenbar bestens über Burkharts Umgang unterrichtet. »Ihr wisst erstaunlich gut Bescheid um Eure Untergebenen, Meister Gerhard. Selbst um Leute, über die es offenbar nichts zu wissen gibt, weil sie mit niemandem etwas zu tun haben.«
»Was wollt Ihr damit andeuten?«
»Nichts. Ich stelle es lediglich fest. Fühlt Euch bitte nicht angegriffen oder gar verdächtigt. Womöglich rede ich auch wirr. Ich habe eine lange Nacht hinter mir, unter der mein ohnehin geplagter
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