Domfeuer
die Rede, oder?« Mit einem breiten Grinsen trat nun auch sie an den Rand des Floßes, drehte den Hintern auf den Rhein und griff in ihren Rock. »Wie wäre es mit Umdrehen?«, fragte sie.
Paulus rieb sich seine brennende Wange, hob zu einer Entgegnung an und wandte sich dann doch wortlos um. Er konnte ihr den Backenstreich nicht verdenken. Eigentlich war er sogar recht billig davongekommen, wenn man bedachte, dass er ihr eine ganze Nacht in Fesseln zugemutet hatte.
Während er wartete, bis Jenne ihr Wasser abgeschlagen hatte, fiel sein Blick auf die Stadt. Er hatte Köln schon von den verschiedensten Punkten aus betrachtet, aber kein Ausblick konnte es mit diesem aufnehmen. Häuser und Türme erhoben sich hinter der trutzigen Rheinmauer, und der Fluss spiegelte das Licht der Morgensonne, gab ihm noch mehr Kraft, sodass die ganze Stadt zu strahlen schien. Kirchen wie Groß Sankt Martin oder Sankt Mariengraden überragten stolz ein Meer aus Dächern, doch neben allen thronte würdevoll und mit steingewordener Ruhe der König der Kölner Kirchen. Der weiß getünchte Dom leuchtete gleich einer Krone auf dem Haupt der heiligen Stadt.
Paulus beneidete all die Schiffer, die schon morgens rheinabwärts in den Hafen fuhren. Wenn die Oberländer in einem weiten Bogen um die Mühlenschiffe steuerten und Kurs nahmen auf die Anlegestellen, musste dieser Anblick auch gestandenen Männern den Atem rauben, ganz gleich, wie oft sie diesen Weg über das Wasser schon zurückgelegt hatten.
Paulus ballte die Fäuste. Das war sein Köln. Der Gedanke, den er vor dem Einschlafen gefasst hatte, reifte beim Anblick der Stadt innerhalb eines Wimpernschlags zu einem felsenfesten, unverrückbaren Entschluss. Nein, er würde sich sein Leben nicht stehlen lassen, er würde es sich zurückholen. Er würde sich reinwaschen von dem Makel.
Reinwaschen. Plötzlich überkam Paulus der dringende Wunsch, genau das zu tun. Er legte den Geldgürtel hinter den Mehlsäcken ab, zog Hemd und Beinlinge aus und ging splitternackt auf den Planken noch ein paar Schritte rheinaufwärts, um von der Strömung nicht zu weit vom Mühlenschiff abgetrieben zu werden. Sollte Jenne doch von ihm denken, was sie wollte. Sie hatte gewiss schon viele nackte Männer gesehen. Dann sprang er in die Fluten.
Fort mit dem Blutgeruch. Fort mit dem Pech der vergangenen Nacht.
Paulus tauchte tief unter und genoss die noch eisige Kälte des Rheins, genoss, wie das Wasser seinen Körper umspülte und ihn reinigte. Von einem Augenblick auf den anderen fühlte er sich frisch, wie neugeboren, aufgefüllt mit neuen Kräften. Ein paar Züge nur, dann kehrte er an die Oberfläche zurück.
Was er dann sah, versetzte ihm einen gehörigen Schrecken. Jenne kletterte in die Esche. In der Hand hielt sie den Gürtel mit den Geldkatzen, den er wohl doch nicht gut genug versteckt hatte.
»He!«, rief er und kraulte hektisch zum Mühlenschiff zurück. Dieses kleine Biest, nicht einmal für einen Atemzug konnte man sie aus den Augen lassen.
Er erreichte die Mühle, zog sich aufs Deck und rannte ans Ende des Floßes. Zu seiner Überraschung hatte Jenne die Esche noch nicht losgemacht. Sie saß reglos darin und sah den Fluss hinab, geradeso als träumte sie. Paulus hockte sich auf die Planken neben sie.
»Ich dachte schon, du wolltest abhauen.«
»Wollte ich auch.«
Er kratzte sich den Kopf. Es war nicht recht, dass er sie noch länger festhielt. Es war nicht recht, dass er sie überhaupt festgehalten hatte.
»Du kannst gehen«, sagte er.
Sie wandte sich um und sah zu ihm auf. Sie hatte Tränen in ihrem Auge, und auch die lederne Klappe auf ihrem anderen bekam einen feuchten Rand. »Ob ich es will oder nicht, das Schicksal hat uns aneinandergekettet. Sie suchen nun nicht nur dich, sondern auch deine kleine Freundin, die einem Freier das ganze Geld gestohlen hat. Seit unserer Begegnung in Henners Haus bin ich in den Augen deiner Verfolger deine Gehilfin. Als ich die Kammer mit dem Gürtel verließ, war ich noch eine einfache Diebin, in dem Augenblick aber, als wir uns über den Weg gelaufen sind, bin ich zur rechten Hand eines Mörders geworden. Wir sind zwei Verbrecher auf der Flucht.«
Paulus schüttelte den Kopf. »Nichts hindert dich, mit dem Geld anderswo ein neues Leben zu beginnen. Fahr den Rhein hinab.«
»Das geht nicht.« Sie schluchzte.
»Warum nicht? Nichts ist leichter als das.«
»Es gibt jemanden, der in der Stadt auf mich wartet. Und der mich braucht.«
»Wer?«
»Ach,
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