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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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war auf dem Weg zum Markt, mit einem großen Korb am Arm. Als sie sich von einem Händler einen großen, runden Käse aus einem Tuch wickeln und zeigen ließ, nahm er all seinen Mut zusammen und sprach sie an, ohne sich Gedanken über seinen ersten Satz zu machen.
    »Ihr habt da wahrlich einen schönen Laib, liebes Fräulein.«
    Völlig verdattert blickte sie ihn an, und erst da begriff er, dass sie ihn gründlich missverstanden haben musste.
    »Verzeiht«, stammelte er. Beide erröteten. »Ich meinte nicht Euren Leib, ich meinte den Laib Käse. Nicht, dass Ihr nicht auch … also, wie soll ich sagen?«
    Als sie sich dann eine Locke hinters Ohr strich und ihn mit einem wahrhaft bezaubernden Lachen aus seiner misslichen Lage befreite, war es endgültig um Paulus geschehen. Von da an versuchte er, sie zu sehen, wann immer es ihm möglich war, und das war selten genug. Einmal in der Woche durfte sie die paar Schritte zum Markt gehen, um kleinere Besorgungen zu erledigen. Es waren nur kurze Einkäufe, ihnen blieb nur wenig Zeit, zwischen Tuchen, Fellen, Weinfässern und Kohlköpfen einige Worte zu wechseln. Sie wies ihn wenigstens nie ab und nährte so seine Hoffnung.
    Irgendwann war es ihm gelungen, sie zu einem heimlichen Treffen in den Abendstunden zu überreden. Angela hatte sich aus dem Haus gestohlen, und sie waren mit einem Nachen zum Werthchen übergesetzt. Es war bitterkalt gewesen und daher kaum die Stimmung für ein trautes Beisammensein, aber er hatte ihr seine Gefühle gestanden – und dass er begonnen hatte, im Hafen zu arbeiten, um bald eine Familie ernähren zu können. Auch vom Spott seiner Brüder hatte er erzählt. Barthel, der Aufrechte, lachte ihn aus, weil ihn erst die Liebe zu einer Frau auf den rechten Weg geführt hatte. Matthias, der Bettler, höhnte aber wohl eher aus gekränktem Stolz. Paulus hatte ihn zurückgelassen, Matthias war nun auf sich allein gestellt. All das hatte er Angela erzählt, um ihr zu beweisen, wie ernst er es meinte.
    Offenbar war ihr das nicht ernst genug. Sie fühlte sich geschmeichelt, war aber nicht annähernd so voller Überschwang wie er. Vielleicht glaubte sie nicht an Paulus’ Willen, seinem Leben eine Wende zu geben. Für ihn aber war ihre Zurückhaltung nur ein weiterer Ansporn.
    Ein Schlag auf Paulus’ Hinterkopf führte unvermittelt Erinnerung und Gegenwart zusammen. Vor Schreck rutschte er fast von seinem Sockel unter der Linde.
    »Deine Angela ist so schön gar nicht!«, zischte Jenne in sein Ohr und ging strammen Schrittes weiter. »Vor allem ist sie ein verfluchtes Flittchen!« Sie hielt auf die Gasse zu, die geradewegs auf den Heumarkt führte. »Jetzt komm endlich! Wir müssen auf den Markt.«
    Der Zug der reichen Bürger setzte sich in Richtung Hafen in Bewegung. Noch in der Judengasse holte Konstantin Dietrich von der Mühlengasse ein. Der hochgewachsene Mann ging allein. Die anderen Männer mieden ihn.
    »Auf ein Wort, Herr Dietrich.«
    Der Weise sah von der Seite auf ihn herab. Konstantin war von hohem Wuchs, aber Dietrich war noch ein Stück größer. »Wer bist du?«, sagte er, ohne seinen Gang zu unterbrechen.
    Konstantin ärgerte sich über die unverhohlene Geringschätzung. An seiner Amtstracht war er leicht als Büttel zu erkennen. »Mein Name ist Konstantin, und ich bin Diener der Gewaltrichter.«
    »Und was will ein Büttel von mir?«
    »Es geht um die Morde an den Herren Gir, Mummersloch und Quatermart.«
    »Ich wüsste nicht, wie ich dir dabei weiterhelfen kann.«
    »Sagt mir einfach, wie Ihr zu den dreien standet. Ich entscheide dann selbst, ob Ihr mir weitergeholfen habt.«
    »Da hat der kleine Gir dir wohl etwas gesteckt.«
    Konstantin versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Es ging Dietrich nichts an, woher er sein Wissen hatte. Er hob abwehrend die Hand und setzte zu einer Antwort an.
    »Gib dir keine Mühe, es zu leugnen.« Dietrich fuhr ihm über den Mund. »Ich habe euch im Bürgerhaus gesehen, wie ihr die Köpfe zusammengesteckt habt wie zwei kleine Mädchen, die über den hübschesten Kerl im Saal tuscheln.«
    Konstantin musterte Dietrich. Der Mann war es gewohnt, auf andere herabzuschauen, nicht nur seiner Größe wegen, auch aufgrund seiner Stellung. Dietrichs Gang war ein Stolzieren, wie das eines Adligen, der von Geburt an über dem einfachen Volk stand. Dabei war er streng genommen nichts anderes als ein einfacher Bürger. Aber das Geld machte den Unterschied. Dietrichs Blick ruhte auf dem Geschehen um ihn herum, doch

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