Domfeuer
Menschen.«
Dietrichs Stimme gewann an Lautstärke. »Richtig, Büttel, Sünder sind wir alle, auf die eine oder andere Weise. Aber du suchst einen sündhaften Menschen, der zum Mittel der Gewalt greift. Also schau dich um unter denen, die dazu fähig sind.«
»Wer soll das Eurer Meinung nach sein?«
»Wer wünscht uns reiche Kaufleute denn zum Teufel?«
Jeder arme Schlucker in dieser Stadt, der keine Almosen von euch bekommt, dachte Konstantin. Auszusprechen wagte er es nicht. »Sagt Ihr es mir.«
»Fast alle handeln wir mit auswärtigen Tuchen, Büttel. Diese Tuche bringen wir nach Köln. Man nennt uns Gewandschneider, weil wir das Recht zum Ausschnitt haben und zum Verkauf der Stoffe. Wem in Köln also könnte es ein Dorn im Auge sein, wenn wir fremde Tuche in die Stadt bringen?«
»All jenen, die ihr Geld mit heimischen Tuchen verdienen.« Er stand da wie ein dummer Junge, den man mit der Nase auf das Offensichtliche gestoßen hatte.
Die Spannung wich ein wenig aus Dietrichs Gesicht. Er schien zufrieden damit, Konstantins Augenmerk ein wenig von den Anschuldigungen des jungen Gir abgelenkt zu haben. »Ich sage dir, Büttel, eines Tages werden uns die Weber noch den größten Ärger bereiten. Geh zum Wollenweberamt und erkundige dich dort, wer mit den drei feinen Herren über Kreuz lag. Ich gehe jede Wette ein, dass es alle Weber waren, ausnahmslos.«
Eingangs des Marktes holte Paulus Jenne ein. »Was erzählst du da? Ein Flittchen? Was soll das denn heißen?«
»Später, später«, sagte Jenne, während Menschen rechts und links von ihnen auf den Heumarkt und in die Gassen zwischen den Buden, Bühnen und Ständen drängten. »Los, dreh dich um und bück dich!«
»Was?«
»Hast du Hirsebrei in den Ohren? Umdrehen und bücken, los!«
Jenne packte ihn an der Schulter und riss ihn herum. Widerwillig ging er in die Hocke. »Was ist los, Jenne?«
»Was los ist? Unserer kuscheligen Fahrt im Waschzuber verdanke ich den Geruch nach dem Blut des Herrn Mummersloch, das ist los. Während du schon schön im Rhein gebadet hast, sind mir die Hunde noch immer auf der Fährte.«
Sie raffte ihren Rock und kletterte umständlich auf Paulus’ Schultern. Mit gespreizten Beinen saß sie nun in seinem Nacken und versuchte, den wallenden Stoff ihres Rockes so gut es ging aus Paulus’ Gesicht zu halten.
»He! Was soll das denn jetzt?«
Jenne verpasste ihm eine ordentliche Kopfnuss, worauf Paulus einen Schmerzenslaut von sich gab. »Denk doch nur einmal mit, du Narr! Ich verwende dich als Esel, damit meine Füße keine Geruchsspur auf dem Boden hinterlassen. Und hier auf dem Markt fallen wir unter all dem verrückten Volk wenigstens nicht sonderlich auf. Hüa!«
Jenne trat ihm in die Rippen, als wollte sie ihm die Sporen geben. Paulus begriff endlich, worum es ging, und lief los, so gut es Jennes Gewicht und ihre Rockfalten auf seiner Stirn zuließen. Er mischte sich gleich unter die Leute, und tatsächlich sah es in der Menge so aus, als wollte Jenne sich mittels ihres erhöhten Platzes lediglich eine bessere Aussicht über den Markt verschaffen. Eine seltsame Unruhe trieb Paulus zu einem hastigeren Schritt an. Von allen Seiten hörte er das Quieken von Schweinen, die Rufe von Marktschreiern, die Musik von Spielleuten oder das erstaunte Raunen gebannter Zuschauer. Und doch versuchte er im Lärm des Marktes und durch Jennes Rock über seinen Ohren nur ein Geräusch auszumachen – das Bellen der Meute.
»Wo ist die nächste Badestube?«, fragte Jenne und hielt sich mit ihren Händen an seiner Stirn fest.
»Du willst baden?«
»Nein, wir beide wollen baden. Da ich jetzt auf dir sitze und mich kräftig an dir reibe, musst auch du dich noch mal schrubben.«
Paulus stakste mühsam durch eine Gruppe kleiner Kinder, die sich vor einem Stand mit geschnitzten Holzfigürchen drängten. Wenige Schritte weiter musste er aufpassen, dass Jenne unter das Tau passte, das Seiltänzer zwischen zwei Buden gespannt hatten.
»Gleich in der Nähe liegt das Badehaus gegenüber von Haus Schöneck, du weißt schon, da, wo der Gir gewohnt hat. Aber die Badestube gehört den Girs, vielleicht sollten wir da besser nicht hin. Die nächste ist die unten am Rheingassentor. Die ist auch nicht viel weiter.«
»Nichts da. Wenn die an Haus Schöneck am nächsten liegt, reiten wir da auch hin.«
»Soweit ich weiß, hat sie keine für Männlein und Weiblein getrennten Baderäume.«
Die Antwort war ein neuerlicher Tritt in die Rippen. »Jetzt sei
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