Domfeuer
mal nicht christlicher als die Pfaffen von Klein Sankt Martin. Du vergisst, dass ich dich auf der Mühle schon nackt ertragen habe, und du wirst es sicher verkraften, wenn du mich so siehst, wie Gott mich erschuf. Es geht sozusagen ums nackte Überleben. Hü hott!«
Die Schmierstraße gehörte zu den schlechtesten Gegenden der Stadt, obwohl sie nah am Dom lag. Seit einiger Zeit schon zog sie viel zwielichtiges Gesindel an, das gerade Geld genug hatte, die verlausten Wohnungen zu mieten. Die Huren in der Schmierstraße waren im Begriff, denen an der Schwalbengasse den Rang abzulaufen. Nicht, weil sie so gut waren, sondern so billig.
Nox wollte sich nicht lange auf der Straße aufhalten. Schnell verschwand er durch die Tür einer Absteige, bei der man fürchten musste, ein kräftiger Windstoß würde ihren schiefen Wänden den Rest geben. Man wartete bereits auf ihn. Kleine Augen funkelten ihn in der Dunkelheit der Kammer an. Ratten, dachte Nox, genau wie Ratten. Die Männer machten keinen Hehl daraus, dass sie ihn früher erwartet hatten. Nox spie auf den Lehmboden und erstickte so jede Diskussion im Keim.
Er warf den Geldbeutel auf den Tisch und wartete ab, bis die Männer die Münzen gezählt hatten. »Verschwindet aus der Stadt. Heute noch.«
Das hätte er ihnen nicht zu sagen brauchen. Sie wollten ohnehin nicht mehr auf die Dombaustelle zurückkehren.
»Oooh.« Paulus’ Kehle entfuhr ein lang gezogenes Stöhnen. Eine wohltuende Wärme umspülte seine Schenkel und wanderte schnell unter seinem Hintern hindurch den Rücken hinauf.
»Zu heiß?«, fragte das Mädchen und goss doch ungebeten eine weitere Kanne mit dampfendem Wasser in den Zuber. Der Schwall nahm den gleichen Weg wie der erste und umschlang Paulus’ Körper wie die Umarmung einer Geliebten. Erst jetzt merkte er, wie müde seine Muskeln waren und wie sehr sie sich nach Ruhe und Entspannung sehnten. Die Verschnaufpause in der Badestube kam ihm sehr gelegen.
»Nein, nein, es ist wunderbar«, sagte er.
Es war schon sein zweites Bad an diesem Tag, aber es war mit Abstand von beiden das bessere. Ein wenig sorgte sich Paulus, seine Haut könnte unter all der Reinlichkeit leiden, doch seine Bedenken verflogen, als das Mädchen eine Handvoll getrockneter Wiesenkräuter in sein Badewasser warf und mit dem Dampf der Duft von Kamille aufstieg. Irgendwo ließ jemand seine Finger sacht über die Saiten einer Harfe gleiten. Paulus schloss die Augen und lauschte der Musik. Die Klänge plätscherten dahin, ohne einer Melodie zu folgen. Es war ein himmlisches Schlummerlied. Das sanfte Murmeln der anderen Gäste begleitete das Harfenspiel. Es war nicht weniger einschläfernd.
Entlang einer langen Wand war ein Dutzend Zuber aufgereiht, die jeweils Platz für zwei Badende boten. Alle waren besetzt, mal mit Männern, mal mit Frauen, meist aber gemischt mit Mann und Frau. Zwar mochte es erst um die Mittagsstunde sein, doch die Badestube an Klein Sankt Martin zog ihren Vorteil aus der Nähe zum Heumarkt. An Tagen wie diesem, an denen der Markt voll war, konnte auch der Badstuber nicht über leere Bütten klagen, zumal das Haus nicht nur für einen ordentlichen Heizkessel, sondern ebenso für gute Mahlzeiten berühmt war. Auf die Bretter, die auf die Zuberwände quer zwischen die Badenden gelegt wurden, kamen Speisen und Weine, die den Vergleich mit guten Gasthäusern nicht zu scheuen brauchten. Paulus und Jenne hatten mit Glück und unter Vorhalt einer Münze aus der schweren Geldkatze den letzten freien Zuber belegen können.
Den Wannen gegenüber war der große Raum mit Vorhängen abgetrennt. Hierhin zogen sich Badegäste für Behandlungen aller Art zurück, und jeder, der hierherkam, wusste, dass dazu auch eine Reihe von Unartigkeiten gehörte, die von der Stadt jedoch geduldet wurden, solange sie hinter den schweren Tüchern verblieben. Das Harfenspiel diente dazu als leichtes Klanggewand, das die leisen Laute der Wollust jenseits der Vorhänge einhüllte.
Gerade als Paulus einzudösen begann, gab das Bademädchen einen weiteren Guss erhitzten Wassers in seinen Zuber. Er kniff seine Gesäßhälften zusammen. Das war doch des Guten ein wenig zu viel.
»Wenn es dir zu heiß ist, können wir gern hinter den Vorhang gehen«, sagte die junge Frau. Sie senkte die Stimme, aber das brauchte sie nicht, denn Paulus wusste auch so, was mit der Wendung »hinter den Vorhang« gemeint war. Und er wusste, weshalb sie ihn mit siedend heißem Wasser aus dem Zuber treiben
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