Domfeuer
waren seine Augen leicht zusammengekniffen, als hätten sie sich nur mühsam daran gewöhnt, all das Elend und den Dreck zu sehen, die das Leben in der Stadt nun einmal ausmachten. Die Kleidung des Kaufmanns war schlicht, aber aus unverkennbar guten Stoffen, wie es sich für einen Mann geziemte, der seinen Reichtum dem Handel mit Tuchen verdankte. Der Filz seines Hutes war sauber gearbeitet, ebenso das Leinen seines Hemdes, und Dietrichs Kittel war aus einer derart fein gekämmten Wolle gefertigt, wie Konstantin es noch nicht gesehen hatte. Wie reich der Weise war, deuteten die Schnallen und Spangen an seiner Kleidung an. Sie waren nicht aus Bronze, sondern aus Silber.
»Was hat der Gir mir denn Eurer Meinung nach gesteckt?«
»Du weißt, wie die Familie Gir zu meiner Familie steht?«
»Vermutlich so, wie wohl jede Patrizierfamilie in Köln zu den Weisen steht.«
»Dann wirst du wissen, welchen Wert seine Aussage gegen mich hat.«
»Herr Dietrich, Ihr verteidigt Euch bereits, obwohl ich gar keinen Vorwurf erhoben habe. Ich wäre Euch verbunden, wenn Ihr einfach meine Fragen beantwortet.«
Obwohl es so nah an den beiden großen Märkten voll auf den Straßen war, kamen die Patrizier problemlos voran. Die Menschen wichen vor den Reichen zurück. Am Ende der Judengasse angelangt, bog der Zug nach rechts in die Mühlengasse ein, die zum Rhein hinab abfiel. Es war die Straße, in der Dietrichs Familie ihren Stammsitz hatte.
»Also gut«, sagte Dietrich, »dann fange erst einmal du an, nicht mehr um den heißen Brei herumzureden. Was hat der kleine Gir dir gesagt?«
Der Weise mochte für seine diplomatischen Erfolge berühmt sein, aber er verstand es ebenso, ein offenes Wort zu sprechen und ein ebensolches zu verlangen. Konstantin zierte sich nicht lange. »Zunächst einmal hat Theoderich Gir seinen eigenen Vater belastet. Hartmann habe ein Unrecht gegen die Stadt Köln begangen, als er sich mit einem Geächteten eingelassen hat.«
»Hartmanns Unrecht ist von der Stadt längst wieder ins Recht gesetzt worden, denn der Geächtete ist nicht länger geächtet. Die Selbstbezichtigung der Familie Gir verliert daher gehörig an Wert. Kommen wir also zu dem, was du wissen willst, Büttel. Gir und seine Bande haben mich betrogen. Mit dem Betrug ist die Vereinbarung, die wir als Geschäftsleute getroffen hatten, hinfällig geworden. So einfach ist das.«
»Warum habt Ihr sie nicht angezeigt?«
Der Weise warf Konstantin einen abfälligen Blick zu, als sei er enttäuscht von der Dummheit der Frage. »Vor welches Gericht hätte ich die drei denn als Geächteter stellen sollen? Ihnen war sehr wohl bewusst, mit wem sie da gerade Schindluder trieben.«
»Auf welche Weise haben Sie Euch betrogen?«
»Auf eine hinterhältige. Bei einer gemeinsamen Reise haben sie entgegen allen Beteuerungen ganz eigene Ziele verfolgt und sich eine Weile von mir abgesetzt. Mehr musst du nicht wissen, Büttel.«
»Ihr müsst sehr zornig gewesen sein.«
»So ist es.«
»Wozu ist ein Mann wie Ihr in der Lage, wenn er zornig ist?«
Dietrich blieb stehen und beugte sich zu Konstantin vor, während die anderen Patrizier an ihnen vorbeigingen. In seine strenge Stirn legte sich eine tiefe Falte, und seine Stimme klang wie das Grollen eines aufziehenden Gewitters. Der Weise schien nur auf den Vorwurf gewartet zu haben.
»Büttel, kennst du mich überhaupt? Weißt du auch nur ein kleines bisschen über mein Leben? Seit ich denken kann, löse ich Schwierigkeiten mit der Kraft meines Wortes. Alle Mitglieder meiner Familie tragen den Namen Weise. Das verdanken sie einzig meinem Wirken. Wir haben es nicht nötig, wie die Overstolzen, einen albernen Namen anzunehmen. Und auch wenn es einmal eine Zeit gab, in der alle Geschlechter dieser Stadt gegen mich standen, an meinem Weg hat sich nie etwas geändert. Daher hat sich auch mein Ruf in all den Jahrzehnten nicht geändert. Glaubst du denn wirklich, ich wäre ein Mann, der Streitigkeiten mit der Klinge löst?«
Nein, das glaubte Konstantin nicht. Aber das konnte er natürlich nicht sagen. Vor allem aber durfte er nicht zeigen, wie sehr er sich vor der Macht dieses Menschen fürchtete. Die Weisen mochten unter den Kölner Geschlechtern isoliert sein. Aber allein ihre Nähe zum Erzbischof machte die Familie für ihn eigentlich unantastbar.
»Herr Dietrich, bei meiner Arbeit zählt nur ein Glaube, und das ist der an Gott, unseren Herrn. Dieser Glaube birgt einen Grundsatz. Den der Sündhaftigkeit des
Weitere Kostenlose Bücher