Don Camillo gibt nicht auf
Stunden da drin in der Osteria sitze, fest auf meinen Stuhl genagelt.»
«Und wenn das so ist, wer hat dann dem Smilzo vor einer halben Stunde den Schlag auf den Kopf verpaßt?»
Beim Namen Smilzo fuhr Ricciolino wütend hoch: «Was geht mich denn dieser aufgeblasene Trottel an? Was hab’ ich damit zu tun, wenn der einen Schlag auf den Kopf kriegt?»
«Du hast damit zu tun, Ricciolino», erklärte Peppone. «Denn der Smilzo war damit beschäftigt, sich mit deiner Schwester zu unterhalten.»
«Mit meiner Schwester?» brüllte Ricciolino. «Heut abend schlag’ ich ihm den Schädel ein!»
Peppone packte ihn an der Schulter: «Du schlägst gar nichts ein, du komische Figur! Vor allem weil ich hier bin, um dir den Schädel einzuschlagen.»
«Peppone», schrie Ricciolino mit Schaum vor dem Mund. «Wenn du hergekommen bist, um eine Gemeinheit zu begehen - meinetwegen. Aber dann laß wenigstens die blöden Rechtfertigungen! Seit zwei Stunden sitz’ ich da und spiel’ Karten, und ich bin keine Sekunde vom Tisch aufgestanden!»
Peppone war ziemlich verwirrt ob der Sicherheit des jungen Mannes.
«Wenn du’s nicht warst», murmelte er, «wer kann dann Smilzo verprügelt haben?»
«Alle können ihn verprügelt haben, denn er ist ein solcher Gauner, daß ihn keiner leiden kann, der ihn kennt.»
«Das stimmt nicht! Smilzo hat seine Qualitäten!»
«Seine Qualitäten soll er für seine Frau aufsparen und nicht für meine Schwester! Er profitiert doch bloß davon, daß er von dir und deiner ganzen Bande gedeckt wird. Aber der kommt mir schon noch mal in die Schußlinie!»
«Und ist er dir nicht schon vor einer halben Stunde in die Schußlinie gekommen?» gab Peppone nicht auf.
«Nein! Und das tut mir leid!» schrie Ricciolino.
Angesichts dieses Schreis, der wirklich aus tiefster Seele zu kommen schien, fühlte sich Peppone entwaffnet. Er rief Bigio:
«Geh in die Osteria und schau, ob du einen von uns siehst. Den nimmst du dir beiseite und fragst ihn, seit wann der da drin sitzt.»
Bigio ging mit seinem Auftrag ab und kam nach wenigen Minuten zurück. «Seit zwei Stunden», sagte er. «Überprüfte Nachricht.»
Peppone breitete die Arme aus: «Ricciolino, es tut mir wirklich leid, daß nicht du es warst, der den Smilzo verprügelt hat.»
«Stell dir vor, wie leid es erst mir tut!» erwiderte Ricciolino giftig.
«Wir müssen die Untersuchung in eine andere Richtung lenken», murmelte Peppone. «Mal sehen: Ricciolino, mit wem geht deine Schwester jetzt?»
«Mit allen, mit denen sie nicht sollte!» knurrte der junge Mann. «Aber heut abend dreh’ ich ihr den Hals um.»
Ricciolino lief wütend weg, und Peppone ließ ihn laufen.
Bis sie zum Hauptquartier zurückkamen, hatte sich Smilzo mit Grappa vollaufen lassen. Peppone zog ihn hoch und schleppte ihn hinaus ins Freie.
«Steig aufs Rad und fahr hinter uns drein», befahl er, während er sich selbst in den Sattel schwang.
Nach zehn Minuten waren alle drei an dem verdammten Bahnübergang. Sie ließen die Räder am Rand des Straßengrabens liegen.
«Smilzo», sagte Peppone, «stell dich jetzt genauso hin, wie du gestanden hast, als dich der Schlag getroffen hat.»
Smilzo lehnte sich an den linken Pfosten, und Peppone betrachtete ihn sich einen Augenblick. Dann wandte er sich zu Bigio: «Probier mal, die Schranke langsam herunterzulassen. »
Bigio hob das Gegengewicht aus Gußeisen hoch, und die weißrote Stange senkte sich.
«Halt!» befahl Peppone, als die Stange vier Finger über Smilzos Kopf stand.
Dann sagte er zu Smilzo: «Jetzt dreh dich auf die andere Seite. Ja so, bleib stehen. Du, Bigio, mach weiter, aber jetzt mit mehr Schwung!»
Eine Sekunde später hörte man einen Schrei: Smilzo hatte einen neuen Schlag auf den Kopf bekommen, jetzt auf der anderen Seite.
«Hast du jetzt begriffen, wie’s passiert ist?» fragte Peppone.
Niemand hatte gesehen, was sich am Bahnübergang zugetragen hatte. Niemand hatte ein Wort gehört, das am Bahnübergang gesprochen worden war.
Doch am nächsten Morgen hing am Anschlagbrett des Pfarrhauses eine Zeichnung, die einen Bahnübergang darstellte. Statt der Schranke hatte der Künstler einen langen knotigen Prügel gezeichnet. Die Bildunterschrift lautete: «Wir protestieren gegen die nächtlichen Ausschreitungen des Bahnübergangs an der Krummen Straße! Es handelt sich um eine faschistische Schranke, die meuchlings Genossen niederschlägt - unter schamloser Ausnützung ihrer Gefühle und ihrer Rückkehr zu alten
Weitere Kostenlose Bücher