Don Camillo gibt nicht auf
ist nicht zufällig eine mit Bürgermeisterwein?»
«Nein», erklärte Giocondo. «Das ist alles Königswein. Ihr seht doch, daß es auf den Etiketten steht.»
«Halt!» brüllte der Smilzo. «Königliche Reserve, erste Reihe, dritte Flasche von links: da fehlt das Etikett!»
Tatsächlich hatte sich das Etikett gelöst und war irgendwo hinuntergefallen. Giocondo überprüfte den Tatbestand durch die Klappe, dann sagte er: «Der Inhalt ist der gleiche, mit und ohne Etikett. Die da könnte man schon trinken, aber nur auf das Wohl des Königs.»
Peppone drehte sich um und ging zur Kellertür: «Zu teuer!» rief er. «Das ist nichts für arme Proletarier.»
Zusammen mit den anderen kehrte er an den Tisch zurück, und sie fingen wieder an zu spielen.
Nach etwa zehn Minuten kam Giocondo: «Also, soll ich jetzt die Flasche Lambrusco bringen?»
«Nein», antwortete Peppone finster. «Bringt den Malvasier. Wir zahlen, was zu zahlen ist. Es ist das Schicksal des Proletariers, daß er immer den Halsabschneidern in die Hände fällt.»
Giocondo ging und kam kurz darauf mit fünf besonderen Gläsern wieder, solchen aus dünnem Glas, und setzte sie auf ein Tablett aus funkelndem Messing.
Dann brachte er die Flasche, und beim Entkorken sagte er: «Königliche Reserve, Jahrgang 1945.»
Er füllte jedes der fünf Gläser zwei Finger hoch.
«Auf das Wohl des Königs», sagte er und hob das Glas.
«Zum Wohl», murmelten die anderen vier und hoben ihr Glas gerade so hoch, daß es als schwache Andeutung gelten konnte.
Sie tranken einen Tropfen.
Dann kauten sie ihn, dachten darüber nach und tranken einen zweiten Tropfen zur Bestätigung.
Danach stellte Peppone sein Glas aufs Tablett und erklärte: «Es ist ein Königswein.»
«Bei allem Respekt und der Ergebenheit, die ich für die Republik habe», sagte der Smilzo, während er sein Glas ebenfalls abstellte, «ich bin derselben Meinung wie der Chef.»
«Ich auch», murmelten Bigio und Brusco.
Peppone füllte sich sein Glas neu und die der anderen auch. «Politische Überzeugung bleibt politische Überzeugung», verkündete er mit feierlicher Stimme, «und davon darf man nicht abweichen, selbst nicht angesichts der sieben Weltwunder. Aber man muß auch den Mut und die Ehrlichkeit haben, der Göttin der historischen Gerechtigkeit ins Auge zu blicken. Und wenn Giuseppe Mazzini selber hier säße, würde er frank und frei anerkennen, daß das ein Königswein ist!»
«Gut gesprochen, Chef!» applaudierte die Bande.
Giocondo sagte nichts, denn er war gerührt. Ergriffen von der inbrünstigen Risorgimento-Stimmung, lief er in den Keller und kam mit einer neuen Flasche der Königlichen Reserve wieder.
Einer Flasche mit einem großen Etikett.
Draußen regnete es immer noch in Strömen.
Giocondo sperrte die Tür der Osteria ab, um Peppone und dem verbleibenden Volk die Möglichkeit zu geben, der Göttin der historischen Gerechtigkeit noch freimütiger ins Auge zu blicken - bei einer zweiten und vielleicht sogar bei einer dritten Flasche Königsmalvasier.
Das Attentat
Der Smilzo stand immer noch am Bahnübergang an der Krummen Straße, denn genau da hatte er Anita getroffen, die mit dem Fahrrad aus dem Dorf gekommen war.
Es ging um nichts Politisches: Anita war eine alte Jugendflamme, und der Smilzo war ein paarmal nahe daran gewesen, sie zu heiraten. Statt dessen hatte er dann die Moretta geheiratet. Trotzdem: wenn er Anita traf, die immer noch unverheiratet war, ließ er sich nur allzu gern auf ein Schwätzchen ein.
Auch Anita hatte nichts dagegen, und sei es nur, um die Moretta zu ärgern. Und so war es an diesem Abend genauso gegangen wie an anderen auch: Eineinhalb Stunden nachdem sie sich getroffen hatten, standen die zwei immer noch eng beisammen und lachten und tändelten in der Dunkelheit.
Smilzo lehnte am linken Schrankenpfosten. Es wäre besser gewesen, er hätte sich an den rechten gelehnt, das heißt an den, auf dem die Eisenstange mit dem Gegengewicht auflag.
Gerade als es am schönsten war, hatte man nämlich vom Bahnhof im Dorf das Stahlkabel gezogen, mit dessen Hilfe die Schranke aus der Ferne heruntergelassen werden konnte, und der arme Smilzo bekam einen solchen Schlag auf den Kopf, daß er wie tot zu Boden ging.
Nachdem Anita vergeblich versucht hatte, ihn mit Wasser aus dem Straßengraben, das sie ihm über Gesicht und Kopf goß, wieder zum Leben zu erwecken, bekam sie’s mit der Angst zu tun. Sie nahm ihr Fahrrad und machte, daß sie
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