Don Camillo und Peppone
das ganze Geld vom Verkauf der Zeitungen bereits dem Vertreter aus der Stadt gegeben, der zusammen mit dem Redner gekommen war!»
Don Camillo steckte sein Geld wieder in die Brieftasche. «Das ist mir sehr unangenehm», seufzte er. «Ich werde mein Leben lang keine Ruhe mehr haben, wenn ich daran denke, daß ich deine Partei um fünftausend Lire geschädigt habe!»
Peppone ging, um sich nicht zu kompromittierenden Dingen verleiten zu lassen.
DIE ALTE LEHRERIN
Das Nationaldenkmal der Gegend war die alte Lehrerin, eine kleine und magere Frau, die alle seit eh und je zu sehen gewöhnt waren, weil sie den Vätern, den Söhnen und den Söhnen der Söhne das ABC beigebracht hatte.
Jetzt lebte sie allein in einem Häuschen am Rande des Dorfes, und es war ihr möglich, von ihrer Pension allein zu leben, weil man sie, wenn sie in ein Geschäft um fünf Deka Butter oder Fleisch oder andere Eßsachen schickte, fünf Deka zahlen ließ, aber zwanzig oder dreißig Deka einwickelte.
Mit den Eiern war es viel schwerer. Wenn eine Lehrerin auch zwei- oder dreitausend Jahre alt ist und jegliche Begriffe vom Gewicht verloren hat, so merkt sie doch, daß sie um ein Ei geschickt hat und daß sie sechs bekommt. Da mußte der Arzt helfen, der ihr eines Tages begegnete und ihr dann sagte, daß sie sehr schlecht aussähe und es für sie besser sei, überhaupt keine Eier zu essen.
Alle hatten großen Respekt vor der alten Lehrerin, sogar Don Camillo kreiste nur von weitem um sie herum, weil er eines Tages das Unglück gehabt hatte, daß sein Hund in den Garten der Frau Giuseppina geraten war und dort einen Geranientopf zerbrochen hatte, so daß die Alte jedesmal, wenn sie Don Camillo begegnete, ihm mit dem Stock drohte und schrie, daß es auch für bolschewistische Priester einen Gott gäbe.
Sie konnte auch Peppone nicht verdauen; als er noch ein kleiner Bub gewesen war, kam er immer in die Schule mit Taschen voller Frösche, toter Vögel und anderer Schweinereien, und eines Morgens erschien er sogar rittlings auf einer Kuh, zusammen mit jenem anderen Kürbiskopf Brusco, der den Knappen spielte. Sie ging sehr selten aus und sprach niemals mit den Leuten, weil sie seit jeher den Tratsch haßte. Als man ihr aber sagte, daß Peppone Bürgermeister geworden sei und Manifeste herausgäbe, da ging sie aus. Und als sie auf den Platz gelangte, blieb sie vor einem an der Wand befestigten Manifest stehen, setzte die Brille auf und las alles von oben bis unten durch, mit gerunzelter Stirn. Dann machte sie ihre Handtasche auf, nahm den roten Bleistift heraus, zeichnete die Fehler ein und schrieb am Schluß des Manifestes:
«4! Esel!»
Und hinter ihrem Rücken standen die stärksten und mächtigsten roten Häuptlinge ihres Dorfes und schauten ihr zu, mit finsteren Gesichtern, mit verschränkten Armen und mit zusammengebissenen Zähnen. Keiner wagte es aber, etwas zu sagen.
Der Holzverschlag der Signora Giuseppina war im Garten hinter dem Haus, und sie war immer gut versorgt, weil oft in der Nacht jemand über den Zaun sprang, um ihr ein Bündel Holz hineinzuwerfen; der Winter war aber sehr kalt, und die alte Lehrerin hatte schon zu viele Jahre auf ihren schwachen gebeugten Schultern, um ausgehen zu können, ohne sich die Rippen zu brechen, und so sah man sie nicht mehr Spazierengehen; und jetzt konnte man ihr auch Eier schicken, weil sie nicht mehr merkte, daß sie acht bekam, wenn sie zwei bestellt hatte. Und als eines Abends Peppone im Gemeinderat den Vorsitz führte, kam jemand, um ihm auszurichten, daß ihn Signora Giuseppina rufen lasse und daß er sich beeilen solle, weil sie keine Zeit habe, mit dem Sterben auf seine Gnade zu warten.
Don Camillo wurde noch früher gerufen und rannte sofort, weil er gut wußte, daß es sich nunmehr nur um Stunden handle. Er fand ein großes weißes Bett vor und darin lag eine Alte, so klein und so mager, daß sie ihm wie ein Kind vorkam. Sie war bei Bewußtsein, die gute alte Lehrerin, und sobald sie die große schwarze Masse Don Camillo erblickte, lächelte sie schwach.
«Es würde Sie freuen, nicht wahr, wenn ich Ihnen jetzt beichtete, daß ich eine Menge schmutziger Dinge am Gewissen habe! Da kann man aber nichts machen, Herr Pfarrer, es gibt nichts. Gut, ich habe Sie gerufen, weil ich mit reiner Seele und ohne Erbitterung sterben will. Darum verzeihe ich Ihnen, daß Sie mir meinen Geranientopf zerbrochen haben.»
«Und ich verzeihe Ihnen, daß Sie mich einen bolschewistischen Priester nannten»,
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