Don Camillo und Peppone
flüsterte Don Camillo.
«Danke, es war aber nicht notwendig», erwiderte die Alte. «Weil es bei diesen Dingen auf den Geist ankommt, mit dem man sie tut, und ich nannte Sie einen bolschewistischen Priester nur so ... so wie ich auch den Bürgermeister Peppone einen Esel nannte ... ohne beleidigende Absicht.»
Don Camillo begann sanft eine lange, lange Rede, um Signora Giuseppina zu verstehen zu geben, daß jetzt der Augenblick gekommen sei, in dem man auf jede menschliche Angeberei, auch die kleinste, verzichten müsse, weil man, um eine Hoffnung zu haben, ins Paradies zu kommen ...
«Hoffnung?» unterbrach ihn Signora Giuseppina. «Ich habe aber die Gewißheit, daß ich dort hinkomme!»
«Das ist Hoffartsünde», sagte sanft und liebevoll Don Camillo. «Kein Sterblicher kann mit Sicherheit behaupten, immer nach dem göttlichen Gesetz gelebt zu haben.»
Signora Giuseppina lächelte. «Kein Sterblicher, außer Signora Giuseppina», antwortete sie. «Weil heute Signora Giuseppina unser Herr Jesus Christus erschien und ihr sagte, sie werde ins Paradies kommen. Darum ist Signora Giuseppina so sicher. Außer, Sie wollen gescheiter sein als Jesus Christus!»
Vor einem so ungeheuren, so genauen und so unmißverständlichen Glauben blieb Don Camillo atemlos und versteckte sich in einer Ecke, um seine Gebete zu verrichten.
Dann kam Peppone.
«Ich verzeihe dir somit deine Frösche und anderen schmutzigen Dinge», sagte die alte Lehrerin. «Ich kenne dich und ich weiß, daß du im Grunde genommen ein guter Kerl bist. Ich werde zu Gott beten, daß er dir deine größeren Sünden verzeihen möge.»
Peppone breitete die Arme aus.
«Signora», murmelte er, «ich habe keine großen Sünden begangen.»
«Lüge nicht!» erwiderte streng Signora Giuseppina. «Du und die anderen Bolschewiken, ihr habt den König ins Exil geschickt, ihr habt ihn auf einer fernen, kleinen Insel eingesperrt und ihr laßt ihn dort zusammen mit seinen kleinen Kindern vor Hunger sterben.»
Die Lehrerin begann zu weinen, und als Peppone diese kleine Alte weinen hörte, hätte er am liebsten gebrüllt.
«Es ist nicht wahr», rief er.
«Es ist wahr», antwortete die Lehrerin. «Signor Biletti hat es mir gesagt, und er hört Radio und liest die Zeitungen.»
«Morgen schlage ich diesem schmutzigen Reaktionär den Schädel ein!»
heulte Peppone. «Don Camillo, sagen Sie ihr bitte, daß das nicht wahr ist.»
Don Camillo bemühte sich. «Man hat Sie schlecht informiert», sagte er sanft. «Es sind Lügen. Keine Rede von wüsten Inseln und vom Hungertod. Es ist alles Lüge, ich versichere es Ihnen.»
«Um so besser», seufzte die kleine Alte erleichtert.
«Und außerdem», rief Peppone, «nicht nur wir haben ihn weggeschickt! Es war eine Abstimmung, und es gab mehr solche, die ihn nicht haben wollten, als jene, die ihn behalten wollten, und dann ist er weggegangen, und niemand hat ihm etwas angetan. Das ist die Demokratie!»
«Ach was, Demokratie!» antwortete streng Signora Giuseppina. «Könige schickt man nicht weg!»
«Entschuldigen Sie», antwortete verlegen Peppone. Und was hätte er schon anders antworten sollen?
Signora Giuseppina ruhte sich ein wenig aus und sprach dann. «Du bist Bürgermeister», sagte sie, «und das ist mein Testament. Das Haus gehört nicht mir, und meine wenigen Fetzen und Sachen wirst du jemandem geben, der es nötig braucht. Du selbst wirst meine Bücher bekommen, weil du sie am nötigsten brauchst. Du mußt dich mit der Kunst des Aufsatzes noch viel plagen und die Zeitwörter studieren.»
«Jawohl, Signora», antwortete Peppone.
«Ich wünsche ein Begräbnis ohne Musik, weil es eine ernste Sache ist. Und ich will auch ein Begräbnis ohne Wagen, wie in früheren bürgerlichen Zeiten.
Der Sarg wird auf den Schultern getragen, und auf dem Sarge will ich eine Fahne haben.
«Jawohl, Signora», antwortete Peppone.
«Meine Fahne, verstehst du», sagte Signora Giuseppina. «Sie ist auf dem Kleiderkasten. Meine Fahne mit dem Wappen.» Und das war alles, weil Signora Giuseppina nur noch flüstern konnte:
«Gott segne dich, wenn du auch ein Bolschewik bist, mein liebes Kind.»
Und dann machte sie die Augen zu und öffnete sie nicht mehr.
Am nächsten Morgen ließ Peppone eine Sitzung der Vertreter aller Parteien in das Gemeindehaus einberufen. Und als sie vor ihm standen, sagte er, daß Signora Giuseppina tot sei und daß ihr die Gemeinde die letzte Ehre und ihre Dankbarkeit erweisen werde, indem sie eine Art
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