Don Camillo und Peppone
sagte er gleichgültig, aber so laut, daß man ihn über die Grenzen der Provinz hören mußte.
Peppone wandte jetzt nicht nur das Gesicht, sondern auch den Rest seines Körpers Don Camillo zu. Er sprach kein Wort, aus seinen Augen sprach aber eine ganze Rede Lenins. Da schien Don Camillo überrascht zu sein und breitete lächelnd die Arme aus.
«Oh, entschuldigen Sie, Herr Bürgermeister», rief er. «Ich war in Gedanken versunken und habe Sie mit dem Kolporteur verwechselt. Ich verstehe, ich verstehe; geben Sie mir ruhig Ihr Blatt.»
Peppone preßte noch fester die Zähne zusammen und reichte langsam Don Camillo ein Blatt. Dieser steckte es unter den Arm und begann im Geldbeutel zu suchen. Er nahm einen Schein von fünftausend Lire heraus und reichte ihn Peppone.
Peppone schaute den Geldschein und dann wieder Don Camillo an. Jetzt wölbte er die Brust.
«Ich verstehe, ich verstehe», sagte dann Don Camillo und zog die Hand mit dem Geldschein zurück. «Es war dumm von mir zu glauben, daß Sie wechseln könnten.» Und zeigte mit dem Finger auf die vielen Zeitungen, die Peppone noch unter dem Arm hielt. «Sie werden bis jetzt nicht viele Lire bekommen haben», fuhr er fort. «Sie Armer, Sie haben fast noch alle Zeitungen bei sich.»
Peppone vollbrachte keine Gewalttat. Er preßte die Zeitungen zwischen die Knie, fuhr mit einer Hand in die Tasche, zog ein großes Bündel Banknoten heraus und begann, Don Camillo den Rest von den fünftausend Lire abzuzählen.
«Wenn Sie nichts dagegen haben, ist das schon das vierte Paket Zeitungen, das ich verkaufe», sagte er mit zusammengepreßten Zähnen und fuhr fort, die Geldscheine abzuzählen.
Don Camillo lächelte gnädig.
«Das freut mich. Viertausendfünfhundert genügen mir. Den Rest können Sie behalten. Die Ehre, vom Bürgermeister eine Zeitung gekauft zu haben, ist fünfhundert Lire wert. Erlauben Sie mir außerdem, einer Zeitung zu helfen, die, ungeachtet ihrer edlen Zielsetzung, nicht dazu kommt, eine genügende Verbreitung zu erreichen, um das Auslangen zu finden ...»
Peppone schwitzte.
«Viertausendneunhundertfünfundachtzig!» schrie er, «nicht einen Heller weniger, Hochwürden! Wir brauchen Ihr Geld nicht!»
«Ach, ich weiß, ich weiß», sagte Don Camillo zweideutig, indem er den Rest einsteckte.
«Was wollen Sie damit sagen», brüllte Peppone und ballte die Fäuste.
«Um Himmels willen, gar nichts!»
Er entfaltete das Blatt, während sich Peppone wieder ein wenig beruhigte.
«U-ni-tà», buchstabierte Don Camillo. «Merkwürdig! Es ist italienisch geschrieben!»
Peppone blökte kurz und lief dann weiter und brüllte so wütend, daß es wie eine Kriegserklärung an die Westmächte klang.
«Verzeihen Sie», murmelte Don Camillo, «ärgern Sie sich nicht! Ich habe im guten Glauben gedacht, es wäre russisch geschrieben!»
Als man nachmittags gekommen war, um ihm zu sagen, daß die Ansprache beendet sei und daß das Volksfest begonnen habe, verließ Don Camillo das Haus und ging, seine enormen Schultern auf dem Platz zur Schau zu tragen.
Das allegorische Fahrradrennen war wirklich eine erstklassige Angelegenheit. Triest kam als erstes durchs Ziel. Es saß auf dem Fahrrad Smilzos. Bereits seit dem frühen Morgen flüsterte man von diesem Triest, weil jemand während der Sitzung des Parteiausschusses gesagt hatte, man müßte auf Triest wegen des politischen Hintergrundes und wegen der Sowjetunion verzichten, worauf Peppone zu schreien angefangen hatte, daß sein Bruder im Krieg gefallen sei, um Triest zu befreien, und daß es bedeuten würde, sein Bruder sei ein Verräter des Volkes gewesen, wenn Triest zum Rennen nicht zugelassen werden würde. So ließen sie Triest zu, das von der Genossin Carola, dem Mädchen Smilzos, in eine Trikolore gekleidet und mit der Triestiner Hellebarde auf der ansehnlichen Brust dargestellt war. Und Smilzo war als Infanterist aus dem ersten Weltkrieg angezogen, mit dem Stahlhelm. Er erstickte fast vor Hitze. Peppone hatte ihm befohlen, als erster durchs Ziel zu kommen. So wurde Smilzo der Erste, und nachher mußte man mit ihm künstliche Atemübungen vornehmen, weil er in seinem eigenen Schweiß fast ertrunken war.
Als Don Camillo Triest auf der Stange eines Infanteriefahrrades siegen sah, wurde er fast verrückt vor Begeisterung. Er unterhielt sich auch bei den nächsten Programmnummern sehr gut, und als man ihm sagte, daß das
«politisch-satirische Zielschießen» eröffnet werde, stürzte er sich mitten in
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