Don Camillo und Peppone
Dummheiten!»
Nun waren gegen Kriegsende in der Umgebung Partisanengruppen entstanden und lange hier verblieben. Es war möglich, daß so eine Gruppe dort Benzinkanister versteckt hatte. Vielleicht war es auch gestohlenes Benzin und wurde von den Dieben in das alte Haus gebracht. Man kann nie wissen.
Don Camillo fing an zu lachen.
«Erzählt mir keine Märchen! Mir ist die ganze Geschichte verdächtig, und ich will mich mit eigenen Augen überzeugen, was da los ist.» Entschlossen löste er sich von der Herde und ging schnellen Schrittes zur brennenden Ruine.
Er hatte bereits etwa hundert Meter zurückgelegt, als ihn Peppone mit einigen großen Sprüngen einholte.
«Sofort zurück, Sie ...»
«Mit welchem Recht mengst du dich in meine Angelegenheiten ein?»
erwiderte ungeduldig Don Camillo, schob seinen Hut nach hinten und stemmte seine großen Fäuste in die Hüften.
«Ich befehle es Ihnen als Bürgermeister! Ich kann es nicht gestatten, daß sich einer meiner Bürger so dumm der Gefahr aussetzt!»
«Was für einer Gefahr?»
«Riechen Sie denn nicht? Es ist ja ein Benzinlager! Gott weiß, welche Teufelei dahintersteckt?»
Don Camillo schaute ihn mißtrauisch an.
«Was weißt du denn davon?»
«Ich? Ich weiß nichts, es ist aber meine Pflicht, Sie zu warnen, denn wo Benzin ist, könnte auch etwas anderes dabei sein.»
Don Camillo lachte auf.
«Ich habe verstanden. Weißt du, was los ist? Das Herz ist dir in die Hose gerutscht, und jetzt ärgerst du dich, daß deine Herde zusehen muß, wie ihr Chef von einem so armseligen reaktionären Pfäfflein wie Don Camillo in der Zivilcourage unterrichtet wird.»
Peppone ballte die Fäuste.
«Meine Leute haben mich im Partisanenkrieg im Gebirge am Werk gesehen und ...»
«Jetzt ist es anders, Genosse Bürgermeister, man muß in der Ebene arbeiten.
Im Gebirge kann man leicht den großen Helden spielen.»
Peppone spuckte sich in die Hände, atmete tief und ging entschlossenen Schrittes auf die brennende Stätte zu. Nach fünfzig Metern sprang Don Camillo, der bis dahin mit gekreuzten Armen Peppone beobachtet hatte, auf und holte ihn ein.
«Halt!» schrie er und faßte ihn am Arm.
«Was halt!» schrie auch Peppone und riß den Arm los. «Gehen Sie lieber Ihre Geranien begießen. Ich gehe weiter. Wir werden sehen, wer Angst hat, Sie oder ich.»
Don Camillo hätte sich am liebsten auch in die Hände gespuckt, tat es aber nicht, da er sich daran erinnerte, daß er Erzpriester sei. Er beschränkte sich darauf, auch tief einzuatmen und die Fäuste zu ballen, und ging weiter.
Sie gingen Schulter an Schulter, Peppone und Don Camillo, und die Entfernung verringerte sich, und schon spürten sie die Hitze, und sie preßten die Zähne immer mehr aufeinander und ballten immer fester die Fäuste, während sie sich gegenseitig aus den Augenwinkeln beobachteten, und jeder von ihnen hoffte, daß der andere stehenbleiben werde, alle beide jedoch entschlossen waren, wenigstens einen Schritt mehr zu machen als der andere.
Achtzig, sechzig, fünfzig Meter.
«Halt!» sagte eine Stimme, der man gehorchen mußte. Und beide blieben im selben Augenblick stehen, drehten sich um und liefen wie Blitze davon.
In diesem Moment riß ein schrecklicher Donner die Stille entzwei, während das alte Haus in die Luft flog und sich wie eine Feuerblume entfaltete.
Sie kamen beide, mitten auf der Straße sitzend, zu sich, und keine Seele war weit und breit zu sehen, da alle wie Hasen zum Dorf geflüchtet waren.
Dann gingen sie schweigend Schulter an Schulter. Plötzlich murmelte Peppone:
«Warum habe ich Sie nur nicht weitergehen lassen? Es wäre besser gewesen.»
«Genau das denke ich mir auch», antwortete Don Camillo. «Eine blendende Gelegenheit versäumt.»
«Hätte ich Sie weitergehen lassen», fuhr Peppone fort, «hätte ich die Freude gehabt, den schwärzesten Reaktionär der Welt in die Luft fliegen zu sehen.»
«Ich glaube nicht», antwortete Don Camillo, ohne sich umzuschauen. «Bei hundert Meter wäre ich stehengeblieben.»
«Warum?»
«Weil ich gewußt habe, daß in der Höhle unter dem alten Haus sechs Benzinkanister, fünfundneunzig Maschinenpistolen, zweihundertfünfundsiebzig Handgranaten, zwei Kisten Munition, sieben Maschinengewehre und dreihundert Kilo Dynamit lagerten.»
Peppone blieb stehen und schaute ihn mit weit auf gerissenen Augen an.
«Nichts Besonderes!» erklärte Don Camillo. «Bevor ich das Benzin anzündete, wurde alles schön gezählt.»
Peppone
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