Don Camillo und Peppone
Camillo. Das ist der Fortschritt», antwortete Christus.
Nach einer allgemeinen Einführung ging der Redner gleich in medias res, und da er ein Extremist war, sprach er scharf:
«Wir müssen im Rahmen der Gesetzlichkeit bleiben, und wir werden es auch tun! Wenn wir auch zu diesem Zweck die Maschinenpistolen ergreifen und alle Feinde des Volkes an der erstbesten Mauer aufhängen müßten ...»
Don Camillo rannte hin und her wie ein Pferd. «Jesu, hörst Du das?»
«Ja, Don Camillo, ich höre, nur allzu deutlich.»
«Jesu, warum läßt Du nicht auf diesen Ungläubigen einen Blitz niedergehen?»
«Don Camillo, bleibe im Rahmen der Gesetzlichkeit. Wenn du jemanden umlegen willst, um ihm weiszumachen, daß er im Unrecht ist, dann sage mir bitte, wozu ich mich kreuzigen ließ.» Don Camillo breitete die Arme aus.
«Du hast recht, wie immer. Es bleibt uns nur noch übrig, zu warten, bis man auch uns kreuzigt.» Christus lächelte.
«Wenn du anstatt zu reden und dann erst darüber nachzudenken, was du gesagt hast, erst überlegtest, was du sagen sollst, und dann erst sprächest, würdest du es bestimmt vermeiden, Dummheiten zu reden.» Don Camillo senkte den Kopf.
«... und was jene betrifft, die sich im Schatten des Kreuzes verbergen und durch das Gift ihres zweideutigen Wortes die Arbeitermassen zu entzweien suchen ...» Die Stimme des Lautsprechers, vom Wind getragen, erfüllte die Kirche und ließ die roten, gelben und blauen Scheiben der gotischen Fenster erzittern.
Don Camillo ergriff einen großen Leuchter aus Bronze und, indem er ihn wie eine Keule in der Hand hielt, ging er zähneknirschend zur Türe. «Halt, Don Camillo!» rief Christus. «Du wirst solange die Kirche nicht verlassen, bis alle Leute den Platz verlassen haben.»
«Schon gut», erwiderte Don Camillo und stellte den Leuchter zurück. «Ich gehorche.»
Er ging in der Kirche hin und her und blieb dann wieder vor Christus stehen.
«Hier kann ich aber machen, was ich will?»
«Natürlich, Don Camillo, du bist in deinem Hause und kannst machen, was du willst. Außer dich ans Fenster zu stellen und mit dem Maschinengewehr auf die Leute zu schießen.»
Drei Minuten später hüpfte Don Camillo fröhlich im obersten Stockwerk des Kirchturmes herum und führte das infernalste Glockenspiel auf, das man je im Lande gehört hatte. Der Redner konnte nicht fortfahren und wandte sich hilfesuchend an die «Großkopferten» des Ortes, die hinter ihm auf dem Podium standen.
«Man muß ihn herunterkriegen», schrie empört der Redner.
Peppone nickte düster. «Richtig», sagte er. «Es gibt zwei Arten, wie man ihn herunterkriegen kann: entweder eine Mine unter dem Kirchturm explodieren zu lassen oder mit Kanonen zu schießen.»
Der Redner befahl ihm, keine Dummheiten zu reden. Was, zum Teufel, das sei überhaupt kein Problem, man brauche nur die Türe zum Turm aus den Angeln zu heben und hinaufzusteigen!
«Wie man's nimmt», erklärte phlegmatisch Peppone. «Man steigt auf Leitern von einem Stockwerk zum anderen hinauf. Siehst du, Genosse, was dort aus dem Fenster des obersten Stockwerks herausragt? Es sind die Leitern.
Er hat sie alle mitgenommen. Die Falltür ist oben zu, der Glöckner ist von der ganzen Welt abgeschnitten.»
«Man könnte versuchen, auf die Turmfenster zu schießen», schlug Smilzo vor. «Schön», stimmte Peppone zu. «Man müßte aber die Gewißheit haben, daß man ihn mit dem ersten Schuß außer Gefecht setzt, denn sonst fängt er zu schießen an, und dann werden wir was erleben.»
Die Glocken verstummten, und der Redner fuhr mit seiner Ansprache fort, und alles ging gut, bis ihm wieder etwas entschlüpfte, was Don Camillo nicht paßte. Da begann Don Camillo sofort seine Gegenrede, um wieder auszusetzen und wieder zu läuten, wenn der Redner ausfällig wurde. Und so bis zu den letzten Sätzen, die auf einfache, pathetische und patriotische Intonierung berechnet waren und infolgedessen von der Glockenzensur verschont blieben, Abends begegnete Peppone Don Camillo.
«Nehmen Sie sich zusammen, Don Camillo, denn – wenn Sie weiter so herausfordern – werden Sie schlecht enden!»
«Da gibt's keine Herausforderung», erwiderte ruhig Don Camillo. «Ihr blast in euere Trompeten, und wir lassen unsere Glocken läuten. Das ist Demokratie, Genosse. Wenn dementgegen es nur einem gestattet wäre, Lärm zu machen, wäre das Diktatur.»
Peppone steckte dies ein, an einem Morgen aber fand Don Camillo auf dem Platz vor der Kirche, einen
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