Don Camillo und seine Herde
Stimme des Provinzsekretärs ins Ohr, «Kommunismus ist Disziplin.»
Peppone richtete den Bleistift entschieden auf den Stern bei Garibaldi, als die perfide Stimme Don Camillos wieder da war.
«Wer hat die Gräber von Katyn gefüllt?»
«Infame Erfindung!» erwiderte Peppone. «Du bist ein Schwein, ein Söldling des Auslandes!»
Aber gerade in diesem Augenblick mußte er an Don Camillos silberne Tapferkeitsmedaille denken und an seine eigene. Als ob sie aufeinanderstießen, hörte er sie klingen, und es war derselbe Klang.
«Und Pizzi? Wer hat ihn umgebracht?» flüsterte wieder Don Camillos Stimme.
«Ich nicht», stotterte Peppone. «Sie wissen schon, wer es war!»
«Ich weiß», erwiderte die listige Stimme Don Camillos, «jener Schnurrbart war es, der da unter dem Stern bei Garibaldi verborgen ist. Einmal habt ihr ihn schon getötet, den Pizzi, warum wollt ihr ihn noch einmal umbringen?»
Peppone rückte die Spitze des Bleistiftes an das Viereck mit dem Stern und Garibaldi.
«Ich stimme für alle, die uns die anderen umgebracht haben», sagte er. Dann hörte er plötzlich die Stimme seines ehemaligen Partisanenführers, des Rechtssozialisten und Saragat-Anhängers, den man von der Rednertribüne heruntergeholt und verprügelt hatte.
«Selig, die dort oben in den Bergen verblieben, Genosse Peppone.»
«Verfluchtes Geschlecht», flüsterte die Stimme Don Camillos. «Wenn sie nicht dort oben gefallen wären, ihr hättet auch sie verprügelt.»
Er dachte an den Kommissar, der dem Sohn Straziamis sein Essen entriß. Und er dachte an seinen eigenen Sohn.
Peppone sah, wie die Bleistiftspitze zitterte, aber eine große rote Fahne wehte vor seinen Augen und ermutigte ihn.
«Gegen alle Ausbeuter des Volkes, die sich mit unserem Schweiß bereichern!» sagte er voll Wut und drückte die Bleistiftspitze auf das Viereck mit dem Stern und Garibaldi.
«Es ist nicht deine Farbe», flüsterte die perfide Stimme Don Camillos, und das Tuch einer Trikolore flatterte vor Peppones Augen.
«Nein, ich bin kein Verräter! Es ist vergeblich, ihr Gauner!» sagte Peppone stöhnend und beugte sich über den Zettel.
Kurz darauf kam er aus der Wahlzelle heraus. Als er den Wahlzettel abgab, fürchtete er, man werde ihn fragen, was er denn so lange getan hätte. Dann sah er aber, daß nur vier Minuten vergangen waren, und er fühlte sich wieder ermutigt.
Don Camillo saß allein beim Abendessen. Es war schon dunkel, als Peppone kam.
«Seit wann klopft man nicht mehr an, wenn man das Haus anderer Leute betritt?» erkundigte sich Don Camillo.
«Unverschämt!» rief Peppone außer sich. «Ihr seid das Unglück der armen Leute!»
«Gelungen», bemerkte Don Camillo. «Kommst du etwa, eine Wahlversammlung abzuhalten?»
«Sie machen den armen Leuten den Kopf voll mit Ihren Lügen!»
Don Camillo nickte.
«Schon gut. Warum kommst du aber gerade jetzt, mir das zu sagen?»
Peppone warf sich in einen Stuhl und nahm den Kopf in beide Hände.
«Sie haben mich zugrunde gerichtet», sagte er dann niedergeschlagen.
Don Camillo schaute ihn an.
«Bist du verrückt?»
«Nein», sagte Peppone. «Jetzt nicht mehr, aber heute früh war ich verrückt und hab ein Verbrechen begangen!»
«Ein Verbrechen?»
«Ja, ich, Peppone, ich, der Führer des arbeitenden Volkes, ich, der Bürgermeister, ich habe einen weißen Stimmzettel in die Urne geworfen.»
Peppone barg sein Gesicht in seinen Händen. Don Camillo schenkte ihm ein Glas Wein ein und stellte es vor ihn hin.
«Wenn wir aber verlieren, ziehe ich Ihnen die Haut ab, weil es Ihre Schuld sein wird!» schrie Peppone und erhob plötzlich den Kopf.
«Geht in Ordnung», antwortete Don Camillo. «Wenn die Volksfront mit einer einzigen Stimme verliert, dann kannst du mir die Haut abziehen. Wenn sie aber mit zwei oder drei Millionen Stimmen verliert, dann hat dein Verhalten bei der Wahl keine Bedeutung mehr.»
Peppone schien etwas beruhigt.
«Dann werde ich Ihnen die Haut wegen der Sache mit dem Flugzeug gerben», erwiderte er.
«Gut so, aber inzwischen trinken wir darauf.»
Peppone hob sein Glas und Don Camillo das seinige. Und beide tranken einander zu. Als Peppone ging, blieb er einen Augenblick unter der Tür stehen.
«Das sind Dinge, die nur wir zwei wissen sollen», sagte er drohend.
«In Ordnung», antwortete Don Camillo.
Und doch ging er gleich zum Hochaltar, um es Christus zu erzählen.
Dann zündete er vor ihm zwei große Kerzen an.
«Die eine», erklärte Don Camillo, «weil Du
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