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Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens

Titel: Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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der Metalldecke, und der Tunnel zog sich zusammen, bis er auf mich drückte. Ich erinnere mich, wie ich auf etwas zukriechen mußte, das wie ein runder Punkt am Tunnelende aussah. Als ich schließlich ankam, wenn ich überhaupt ankam, hatte ich den Hund, Don Juan und mich selbst völlig vergessen. Ich war erschöpft Meine Kleider waren von einer kalten, klebrigen Flüssigkeit durchtränkt Ich drehte mich hin und her, versuchte eine Lage zu finden, in der ich ausruhen konnte, eine Lage, in der mein Herz nicht so stark schlagen würde. In einer dieser Bewegungen sah ich wieder den Hund Jede Erinnerung kam auf einmal zurück, und plötzlich waren meine Gedanken ganz klar. Ich drehte mich suchend nach Don Juan um, aber ich konnte nichts und niemanden unterscheiden. Ich konnte nur ahnen, wie der Hund zu leuchten begann; ein starkes Licht strahlte von seinem Körper aus. Ich sah wieder das Wasser durch ihn fließen, es erleuchtete ihn wie ein Freudenfeuer. Ich gelangte ans Wasser, senkte mein Gesicht in den Topf und trank mit ihm. Meine Hände "waren vor mir auf dem Boden, und während ich trank, sah ich die Flüssigkeit durch meine Adern rinnen in roten, gelben und grünen Schattierungen. Ich trank mehr und mehr. Ich trank, bis ich in Flammen aufging; ich war ein einziges Glühen. Ich trank, bis die Flüssigkeit meinen Körper durch jede Pore verließ und wie Seidenfasern herausstand, und auch ich erhielt eine lange, strahlende, leuchtende Mähne. Ich sah den Hund an, und seine Mähne war wie meine. Ein unendliches Glück erfüllte meinen ganzen Körper, und wir rannten zusammen zu einer Art gelber Wärme, die von irgendeinem unendlichen Ort ausging. Und dort spielten wir. Wir spielten und tobten, bis ich seine Wünsche kannte und er meine. Wir wechselten uns ab, gestalteten uns wechselseitig wie in einer Art Puppentheater - . Indem ich meine Zehen verdrehte, erreichte ich, daß er seine Beine bewegte, und jedesmal, wenn er mit dem Kopf nickte, spürte ich einen unwiderstehlichen Impuls aufzuspringen. Aber das Lustigste war, wenn er mich dazu brachte, mich mit dem Fuß am Kopf zu kratzen, während ich saß; er tat es, indem er mit seinen Ohren von Seite zu Seite schlug. Es war unerträglich und komisch.
    Diese Anmut und Ironie; diese Beherrschung, dachte ich. Die Euphorie, die mich ergriff, war unbeschreiblich. Ich lachte, bis ich kaum noch atmen kcnne. Ich hatte die klare Empfindung, meine Augen nicht öffnen zu können; ich sah durch ein Wasserbecken. Es war ein langer und schmerzvoller Zustand voller Furcht, nicht aufwachen zu können und doch wach zu sein. Dann wurde die Welt langsam klar und schärfer. Mein Gesichtsfeld wurde wieder sehr rund und weit, und damit verband sich ein ungewöhnlicher Bewußtsemsakt, mich umzudrehen und dieses wunderbare Wesen zu suchen. An diesem Punkt begegnete ich dem schwierigsten Obergangsstadium. Der Übergang zu meinem normalen Zustand hatte sich, fast ohne daß ich es gemerkt hatte, vollzogen: Ich war wach; meine Gedanken und Empfindungen waren eine natürliche Folge dieses Wachseins; und der Übergang war sanft und klar. Aber diese zweite Veränderung das Erwachen zu ernstem, nüchternem Bewußtsein, war wirklich erschreckend Ich hatte vergessen, daß ich ein Mensch war! Die Traurigkeit einer solch ungewohnten Situation war so stark, daß ich weinte.

Sonnabend, 5. August 1961
    Später an diesem Morgen, nach dem Frühstück, fuhren der Besitzer des Hauses, Don Juan und ich zu Don Juans Haus zurück. Ich war sehr müde, konnte aber im Lastwagen nicht einschlafen. Erst nachdem der Mann wieder gegangen war, schliefich aufder Veranda von Don Juans Haus ein.
    Als ich erwachte, war es dunkel; Don Juan hatte eine Decke über mich gelegt. Ich suchte ihn, aber er war nicht im Haus. Später kam er mit einem Topf gebackener Bohnen und einem Stoß Totillas zurück. Ich war schrecklich hungrig Als wir gegessen hatten und uns ausruhten, bat er mich, ihm alles zu erzählen, was mir in der letzten Nacht passiert war. Ich erzählte mein Erlebnis sehr ausführlich und so genau als möglich.
    Als ich fertig war, nickte er und sagte;: »Ich glaube, du bist gut Ich kann dir jetzt nur schwer erklären wie und warum. Aber ich glaube, es ging alles gut für dich. Du siehst, manchmal ist er verspielt wie ein Kind, zu anderen Zeiten ist er schrecklich und furchterregend. Entweder scherzt er oder er ist todernst Es ist unmöglich, vorher zu wissen, wie er zu einer anderen Person sein wird. Auch wenn man ihn

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