Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten
Punkte seiner Lehren gab, da war dies ebenso erstaunlich für mich wie die Tatsache, daß er in Mexico City einen Anzug getragen hatte. Seine Sprachbeherrschung, seine dramatische Pointierung, seine Wortwahl waren so außerordentlich gekonnt, daß ich mir dies rational nicht erklären konnte. Er sagte, daß der Lehrer an diesem Punkt ausschließlich zum einzelnen Krieger sprechen müsse, daß die Art, wie er nun zu mir sprach, und die Klarheit seiner Erklärung Bestandteile seines letzten Tricks seien und daß ich erst ganz am Schluß alles verstehen werde, was er mir entwickelte. Er sprach ohne Unterbrechung, bis er seine zusammenfassende Darstellung beendet hatte. Und ich schrieb alles mit, ohne mich irgend bewußt anstrengen zu müssen. »Laß mich dir gleich zu Anfang sagen, daß ein Lehrer nie Lehrlinge sucht und daß niemand um Unterweisung bitten kann!« sagte er. »Es ist immer ein Omen, das einen Lehrling bezeichnet. Ein Krieger, der womöglich im Begriff steht, ein Lehrer zu werden, muß wachsam sein, um sein Quentchen Chance zu fassen. Ich sah dich, bevor wir uns begegneten. Du hattest ein gutes Tonal, wie jenes Mädchen, das wir in Mexico City trafen. Nachdem ich dich gesehen hatte, wartete ich, ganz ähnlich, wie wir an jenem Abend in Mexico City auf das Mädchen gewartet haben. Das Mädchen ging vorbei, ohne uns Beachtung zu schenken. Dich aber führte ein Mann zu mir, der davonlief, nachdem er dummes Zeug von sich gegeben hatte. Da standest du nun vor mir und redetest ebenfalls Blödsinn. Ich wußte, daß ich schnell handeln und dich einfangen mußte. Etwas Ähnliches hättest du selbst tun müssen, falls das Mädchen mit dir gesprochen hätte. Also, ich packte dich mit meinem Willen.«
Don Juan spielte auf die ungewöhnliche Art und Weise an, wie er mich angeschaut hatte, als wir uns zum erstenmal begegneten. Er hatte den Blick auf mich fixiert, und ich hatte ein unerklärliches Gefühl der Leere oder Betäubung empfunden. Ich konnte keine logische Erklärung für meine Reaktion finden, und ich war stets überzeugt gewesen, daß ich ihn nach dieser ersten Begegnung nur deshalb wieder aufsuchte, weil dieser Blick mich verfolgte.
»Das war das beste Mittel, um dich einzufangen«, sagte er. »Es war ein direkter Schlag gegen dein Tonal. Ich betäubte es, indem ich meinen Willen darauf konzentrierte.«
»Wie hast du das gemacht?« fragte ich. »Der Blick des Kriegers richtet sich auf das rechte Auge des anderen«, sagte er. »Und zwar stoppt er dessen inneren Dialog. Dann übernimmt das Nagual die Führung. Daher die Gefährlichkeit dieses Manövers! Sobald das Nagual vorherrscht, und sei es nur für einen Moment, erlebt der Körper ein ganz unbeschreibliches Gefühl. Ich weiß, daß du endlose Stunden damit zugebracht hast, herauszufinden, was du empfunden hast, und daß du bis heute nicht dahintergekommen bist. Immerhin, ich habe erreicht, was ich wollte. Ich habe dich eingefangen.« Ich sagte ihm, ich könne mich immer noch gut daran erinnern, wie er mich angestarrt hatte.
»Der Blick ins rechte Auge ist kein Anstarren«, sagte er. »Eher ist es ein kräftiges Zupacken, das durch das Auge des anderen hindurch geschieht. Mit anderen Worten, man packt etwas, das hinter dem Auge ist. Man hat wirklich die körperliche Empfindung, daß man etwas mit dem Willen festhält.« Er kratzte sich am Kopf und schob sich den Hut ins Gesicht. »Das ist natürlich nur eine bildliche Redeweise«, fuhr er fort. Ein Hilfsmitte, diese komischen körperlichen Empfindungen zu erklären.«
Er befahl mir, nicht weiterzuschreiben und ihn anzusehen. Er sagte, er werde jetzt mein »Tonal« mit seinem »Willen« ganz leicht »anfassen«. Das Gefühl, das ich nun empfand, war eine Wiederholung dessen, was ich bei unserer ersten Begegnung und bei anderen Gelegenheiten gespürt hatte, wenn Don Juan mir das Gefühl gegeben hatte, als berührte sein Blick mich tatsächlich körperlich.
»Aber wie machst du es, daß ich das Gefühl habe, als berührtest du mich, Don Juan? Was machst du wirklich?« fragte ich. »Es läßt sich nicht genau beschreiben, was man dabei tut«, sagte er. »Irgend etwas schießt von irgendwo unter dem Magen hervor. Dieses Etwas hat eine Richtung und kann auf alles mögliche ausgerichtet werden.«
Wieder hatte ich irgendwie das Gefühl, als faßte mich eine Pinzette an einer nicht näher auszumachenden Stelle. »Es funktioniert nur, wenn der Krieger gelernt hat, seinen Willen gezielt einzusetzen«,
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