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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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folgenlos geblieben wäre, wenn er mir dies alles vor vierzehn Jahren oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt meiner Lehrzeit gesagt hätte. Wichtig war allein die Tatsache, daß ich mit oder in meinem Körper die Voraussetzungen seiner Erklärungen erfahren hatte. »Ich warte auf deine übliche Frage«, sagte er, wobei er die Worte langsam artikulierte. »Welche Frage?« fragte ich. »Die eine, die deiner Vernunft auf der Zunge liegt.«
    »Heute verzichte ich auf alle Fragen. Ich habe wirklich keine. Don Juan.«
    »Das ist nicht fair«, sagte er lachend. »Es gibt eine besondere Frage, die ich von dir brauche.«
    Er sagte, daß ich, wenn ich nur einen Augenblick meinen inneren Dialog abstellte, erkennen könne, um welche Frage es sich handelte. Plötzlich kam mir ein Gedanke, eine momentane Einsicht, und ich wußte, was er erwartete. »Wo war mein Körper, während all dies mit mir geschah?« fragte ich, und er brach in herzhaftes Lachen aus. »Dies ist der letzte von den Tricks der Zauberer«, sagte er. »Oder sagen wir, was ich dir jetzt enthüllen werde, ist das letzte Stück der Erklärung der Zauberer. Bis jetzt ist deine Vernunft aufs Geratewohl meinem Tun gefolgt. Deine Vernunft ist bereit zuzugeben, daß die Welt nicht so ist, wie die Beschreibung sie darstellt, daß es mit ihr noch mehr auf sich hat als das, was unmittelbar ins Auge springt. Deine Vernunft ist beinahe gewillt und bereit zuzugeben, daß deine Wahrnehmung jene Klippe auf- und abschwebte oder daß irgend etwas in dir oder du insgesamt auf den Grund der Schlucht gesprungen bist und mit den Augen des Tonal untersucht hast, was es dort zu sehen gab, ganz als ob du körperlich an einem Seil oder über eine Leiter hinabgestiegen wärst. Dieser Akt, das Untersuchen des Bodens der Schlucht, war die Krönung aller dieser Jahre der Schulung. Du hast deine Sache gut gemacht. Genaro sah sein Quentchen Chance, als er einen Stein auf dich warf, auf das Du, das am Grund der Schlucht war. Du sahst alles. Da wußten Genaro und ich ohne jeden Zweifel, daß du bereit warst, in das Unbekannte geschleudert zu werden. In diesem Augenblick sahst du nicht nur, sondern du wußtest auch alles über den Doppelgänger, den Anderen.«
    Ich unterbrach ihn und meinte, er lobe mich unverdientermaßen für etwas, das ganz außerhalb meines Verständnisses liege. Er antwortete, daß ich Zeit benötigte, um all diese Eindrücke zu verarbeiten, und daß, sobald ich dies getan hätte, die Antworten nur so aus mir heraussprudeln würden, ganz ähnlich wie bisher die Fragen.
    »Das Geheimnis des Doppelgängers liegt in der Blase der Wahrnehmung, und in deinem Fall befand sich diese gestern gleichzeitig auf dem Gipfel der Klippe und am Grunde der Schlucht«, sagte er. »Das Bündel von Gefühlen kann dazu gebracht werden, sich augenblicklich überall zu versammeln. Mit anderen Worten, man kann hier und dort gleichzeitig wahrnehmen.«
    Er drängte mich, nachzudenken und mich an eine Reihe von Vorgängen zu erinnern, die so alltäglich seien, daß ich sie beinahe vergessen hätte. Ich wußte nicht, wovon er redete. Er verlangte, ich solle mich anstrengen.
    »Denk doch mal an deinen Hut!« sagte er. »Und denk daran, was Genaro mit ihm machte!«
    Schlagartig kam mir die Erkenntnis. Ich hatte ganz vergessen, daß Don Genaro tatsächlich gemeint hatte, ich solle meinen Hut absetzen, weil der Wind ihn mir dauernd vom Kopf wehte. Aber ich wollte nicht auf ihn verzichten. Ich kam mir irgendwie blöd vor, nackt, wie ich war. Einen Hut zu tragen, was ich für gewöhnlich nie tat, das gab mir ein Gefühl der Fremdheit; so war ich nicht wirklich ich selbst, und in diesem Fall war es nicht so peinlich, ohne Kleider dazustehen. Don Genaro hatte dann versucht, mit mir die Hüte zu tauschen, aber seiner war zu klein für meinen Kopf. Er riß Witze über meinen Kopfumfang und die Proportionen meines Körpers, und schließlich nahm er mir den Hut ab und wickelte mir einen alten Poncho wie einen Turban um den Kopf. Ich sagte zu Don Juan, daß ich diesen Vorgang vergessen hätte, der sich, dessen war ich sicher, zwischen den angeblichen Sprüngen abgespielt hatte. Und doch bildete meine Erinnerung an diese »Sprünge« eine Einheit. »Gewiß waren sie eine ununterbrochene Einheit, aber das waren auch Genaros Kapriolen mit deinem Hut«, sagte er. »Diese beiden Erinnerungen können nicht hintereinander angeordnet werden, weil sie zur gleichen Zeit geschahen.« Er bewegte die Finger seiner linken Hand,

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