Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten
Schlucht hinabgesprungen war. Die Hand noch immer auf meiner Schulter, sprach er mit lauter Stimme zu ihnen.
»Ja, meine Herren«, sagte er und sah sie an. »Ich bin sein Wohltäter, und ich weiß, was das für eine Leistung war. Das war die Krönung von Jahren des Lebens als Krieger.« Er wandte sich zu mir und legte auch die andere Hand auf meine Schulter. Seine Augen leuchteten voller Frieden. »Sonst weiß ich dir nichts zu sagen, Carlitos«, sagte er, wobei er die Worte bedächtig aussprach. »Außer, daß du eine erstaunliche Menge Scheißdreck im Gedärm hattest.« Und damit brüllten er und Don Juan vor Lachen los, bis sie fast umfielen. Pablito und Nestor kicherten nervös und wußten nicht recht, was tun. Als Don Juan und Don Genaro sich beruhigt hatten, sagte Pablito zu mir, er sei sich seiner Fähigkeit, allein in das »Unbekannte« zu gehen, nicht recht sicher. »Ich habe nicht die blasseste Ahnung, wie ich es machen soll«, sagte er. »Genaro sagt, man braucht nichts anderes als Makellosigkeit. Was meinst du?«
Ich sagte ihm, ich wisse noch weniger als er. Nestor seufzte und wirkte echt besorgt; nervös bewegte er Hände und Mund, als sei er im Begriff, etwas Wichtiges zu sagen, und wisse nicht, wie.
»Genaro sagt, ihr zwei werdet es schaffen«, sagte er schließlich. Don Genaro gab mit der Hand das Zeichen zum Aufbruch. Er und Don Juan gingen nebeneinander, einige Meter vor uns. Fast den ganzen Tag folgten wir dem gleichen Bergpfad. Wir gingen in völligem Schweigen und machten kein einziges Mal halt. Jeder von uns hatte einen Vorrat an Trockenfleisch und eine Kalebasse mit Wasser, und es war ausgemacht, daß wir im Gehen essen würden. Irgendwann erweiterte der Pfad sich nachgerade zu einer Straße. Sie führte im Bogen um einen Berghang, und plötzlich öffnete sich vor uns der Ausblick in ein Tal. Es war ein atemberaubender Anblick, ein langgestrecktes grünes Tal, das im Sonnenlicht erstrahlte. Darüber standen zwei wunderbare Regenbogen, und hier und da hingen Regenschleier über den Bergen im Umkreis. Don Juan blieb stehen und wies Don Genaro mit einer Kopfbewegung auf irgend etwas drunten im Tal hin. Don Genaro schüttelte den Kopf. Es war weder eine bejahende noch eine verneinende Geste; eher war es ein Ruck mit dem Kopf. Beide standen reglos da und spähten lange in das Tal hinunter. An dieser Stelle verließen wir die Straße und nahmen, wie es schien, eine Abkürzung. Wir stiegen über einen schmaleren und gefährlicheren Pfad hinab, der zum nördlichen Ende des Tales führte.
Als wir die Ebene erreichten, war es hoher Nachmittag. Ein starker Duft von Flußweiden und feuchter Erde umfing mich. Einen Moment war der Regen wie ein leises grünes Raunen in den Bäumen zu meiner Linken, dann war er nur noch ein Beben im Schilf. Ich hörte einen Bach plätschern. Ich blieb einen Augenblick stehen, um zu lauschen. Ich schaute zu den Baumwipfeln hinauf; die hohen Zirruswölkchen am westlichen Horizont sahen aus wie über den Himmel verstreute Wattebäusche. Ich stand da und betrachtete die Wolken, bis die anderen einen ziemlichen Vorsprung gewonnen hatten. Ich lief ihnen nach.
Don Juan und Don Genaro blieben stehen und drehten sich wie auf Verabredung um; sie rollten die Augen und richteten dann so gleichzeitig und präzise den Blick auf mich, daß sie ein und derselbe Mann zu sein schienen. Es war ein kurzer, ungeheuerlicher Blick, der mir ein Frösteln über den Rücken jagte. Dann lachte Don Genaro und meinte, ich liefe plumpsend daher wie ein dreihundert Pfund schwerer, plattfüßiger Mexikaner.
»Warum ausgerechnet ein Mexikaner?« fragte Don Juan. »Ein plattfüßiger, dreihundert Pfund schwerer Indianer rennt nicht«, sagte Don Genaro in erklärendem Ton. »Ach«, sagte Don Juan, als hätte Don Genaro wirklich etwas Bedeutendes erklärt. Wir durchquerten das saftig grüne Tal und stiegen die Berge im Osten hinan. Am Spätnachmittag machten wir schließlich auf einer flachen, karstigen Mesa, einem Tafelberg, halt, von der aus man das Hochtal im Süden überblickte. Die Vegetation hatte sich merklich verändert. Ringsumher standen zerklüftete Berge. Das Land im Tal und an den Bergflanken war parzelliert und bebaut, und doch machte die ganze Szene den Eindruck unfruchtbarer Ödnis.
Die Sonne stand bereits niedrig am südwestlichen Horizont. Don Juan und Don Genaro winkten uns zum nördlichen Abbruch der Mesa heran. Der Ausblick von dort war erhaben. Nach Norden erstreckten sich endlos
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