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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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»Warum achtundvierzig?«
    »Die Achtundvierzig ist unsere Zahl«, sagte er. »Das ist es. was uns zu Menschen macht. Ich weiß nicht warum. Verschwende deine Kraft nicht auf törichte Fragen.« Er stand auf und streckte seine Glieder. Er forderte mich auf, es ihm gleichzutun. Ich beobachtete, daß sich am Himmel im Osten schon ein Lichtschimmer zeigte. Wir setzten uns wieder. Er beugte sich vor und brachte seinen Mund an mein Ohr. »Der letzte, den du rufen wirst, ist Genaro, der wahre McCoy«, flüsterte er.
    Neugier und Erregung bestürmten mich. Blitzartig ging ich die erforderlichen Schritte durch. Das seltsame Geräusch vom Rand des Chaparral wurde lebhafter und nahm erneut an Lautstärke zu. Ich hatte es schon beinah vergessen gehabt. Die goldenen Blasen hüllten mich ein, und dann erblickte ich in einer von ihnen Don Genaro selbst. Er stand vor mir und hielt den Hut in der Hand. Er lächelte. Rasch schlug ich die Augen auf und wollte zu Don Juan gerade etwas sagen, doch bevor ich noch ein Wort herausbrachte, versteifte mein Körper sich wie ein Brett; meine Haare standen zu Berge, und einen langen Augenblick wußte ich nicht, was ich tun oder sagen sollte. Don Genaro stand unmittelbar vor mir - leibhaftig! Ich wandte mich zu Don Juan um; er lächelte. Dann brachen die beiden in ein gewaltiges Gelächter aus. Auch ich versuchte zu lachen. Es gelang mir nicht. Ich stand auf. Don Juan reichte mir einen Becher Wasser. Mechanisch trank ich. Ich erwartete, er werde mein Gesicht mit Wasser bespritzen. Statt dessen füllte er meinen Becher erneut. Don Genaro kratzte sich am Kopf und verbarg ein Grinsen. »Möchtest du nicht Genaro begrüßen?« fragte Don Juan. Es kostete mich eine ungeheure Anstrengung, meine Gedanken und Gefühle zu ordnen. Schließlich murmelte ich Don Genaro irgendeinen Gruß zu. Er machte eine Verbeugung. »Du hast mich gerufen, nicht wahr?« fragte er lächelnd. Stotternd drückte ich meine Verwunderung darüber aus, ihn leibhaftig vor mir zu sehen. »Er hat dich gerufen«, warf Don Juan ein. »Gut, hier bin ich«, sagte Don Genaro zu mir. »Was kann ich für dich tun?«
    Allmählich schien mein Verstand wieder zu arbeiten, und schließlich hatte ich eine plötzliche Einsicht. Meine Gedanken waren glasklar, und ich »wußte«, was wirklich geschehen war. Don Genaro, so dachte ich mir, war bei Don Juan zu Besuch, und als sie mein Auto näherkommen hörten, war Don Genaro ins Gebüsch geschlichen und hatte sich dort bis zum Einbruch der Dunkelheit versteckt. Alle Anzeichen sprachen für diese These, meinte ich. Da Don Juan zweifellos die ganze Sache geplant hatte, gab er mir von Zeit zu Zeit Stichworte und lenkte damit den Gang der Dinge. Zum rechten Zeitpunkt hatte Don Genaro mich dann auf seine Anwesenheit aufmerksam gemacht, und als Don Juan und ich zum Haus zurückkehrten, war er uns auffällig gefolgt, um mich in Angst und Schrecken zu versetzen. Dann hatte er im Chaparral gewartet und, jedesmal wenn Don Juan ihm ein Zeichen gab, jenes seltsame Geräusch von sich gegeben. Den Wink, aus dem Gebüsch hervorzukommen, mußte Don Juan ihm schließlich gegeben haben, während ich die Augen geschlossen hatte, nachdem er mich aufgefordert hatte, Don Genaro zu »rufen«. Dann war Don Genaro offenbar zur Veranda gekommen und hatte gewartet, bis ich die Augen öffnete, und hatte mir diesen Schrecken eingejagt.
    Die einzigen Unstimmigkeiten in meiner logischen Theorie waren, daß ich tatsächlich gesehen hatte, wie der im Gebüsch versteckte Mann sich in einen Vogel verwandelte, und daß ich Don Genaro zuerst als ein Bild in einer goldenen Blase gesehen hatte. In meiner Vision war er genauso gekleidet wie nunmehr in leibhaftiger Gestalt. Da ich keine logische Erklärung für diese Unstimmigkeiten finden konnte, nahm ich an, wie ich es unter ähnlichen Umständen stets zu tun geneigt bin, daß der emotionale Streß wohl eine wichtige Rolle bei der Bestimmung dessen gespielt haben mochte, was ich zu sehen geglaubt hatte.
    Als ich mir in Gedanken diesen grotesken Trick ausmalte, begann ich unwillkürlich zu lachen. Ich berichtete ihnen von meinen Schlußfolgerungen. Sie stimmten ein schallendes Gelächter an. Ich war ehrlich überzeugt, daß ihr Lachen ein Eingeständnis war.
    »Du hattest dich im Gebüsch versteckt, nicht wahr?« fragte ich Don Genaro.
    Don Juan setzte sich wieder und schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
    »Nein. Ich habe mich nicht versteckt«, sagte Don Genaro nachsichtig. »Ich

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