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Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Titel: Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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fuchsteufelswild, aber gegen diesen Zweihundertzwanzig-Pfunds-Arsch konnte ich nicht aufkommen. Sie setzte mich in den Bus. Aber unterwegs riß ich aus. Ich rannte durchs Buschland und über die Hügel, bis meine Füße so geschwollen waren, daß ich nicht mehr die Schuhe ausziehen konnte. Fast wäre ich gestorben. Ich war an die neun Monate krank. Hätte der Zeuge mich nicht gefunden, dann wäre ich gestorben.«
    »Ich hab ihn nicht gefunden«, sagte Nestor zu mir. »La Gorda war's, die ihn fand. Sie führte mich zu ihm, und wir beide schleppten ihn zum Bus und brachten ihn her. Er phantasierte im Fieberwahn, und wir mußten dem Busfahrer extra etwas zahlen, damit er uns überhaupt mitnahm.«
    Pablito sagte mit wehleidiger Stimme, er sei noch immer der gleichen Meinung: er wolle noch immer sterben! »Aber warum?« fragte ich.
    Statt seiner antwortete Benigno mit donnernder gutturaler Stimme: »Weil sein Fimmel nicht funktioniert!« rief er. Seine Stimme klang so ungewöhnlich, daß ich einen Moment meinte, er spräche aus einer Höhle. Das alles kam mir sehr beängstigend und widersinnig vor. Ich lachte unbeherrscht. Nestor erzählte, wie Pablito versucht hatte, seine Aufgabe zu erfüllen und - getreu den Anweisungen des Nagual - sexuelle Beziehungen mit den Frauen aufzunehmen. Der Nagual hatte Pablito nämlich gesagt, daß die vier Ecken seiner Welt bereits für ihn bereit wären und daß er sie nur noch zu fordern brauchte. Als Pablito aber versuchte, seine erste Ecke, Lidia, zu fordern, da tötete sie ihn beinah. Nestor fügte noch hinzu, er persönlich, als Augenzeuge des Vorfalls, sei der Meinung, daß Lidia ihn deshalb vor den Kopf gestoßen hatte, weil Pablito als Mann bei ihr versagte; und statt die ganze Sache verschämt zu übergehen, habe sie ihn eben ordentlich geschlagen.
    »Erkrankte Pablito tatsächlich durch diesen Schlag, oder simulierte er nur?« fragte ich halb im Scherz. Wieder antwortete Benigno mit seiner Donnerstimme.
    »Er hat nur simuliert!« rief er. »Er hatte nur eine Beule am Kopf, nichts weiter.« Pablito und Nestor lachten brüllend.
    »Wir können Pablito keinen Vorwurf machen, weil er sich vor diesen Frauen fürchtet«, sagte Nestor. »Sie sind alle wie der Nagual selbst, grauenhafte Kriegerinnen. Sie sind böse und verrückt.«
    »Glaubst du wirklich, daß sie so schlimm sind?«
    »Wenn man sagt, daß sie böse sind, so ist das nur ein Teil der ganzen Wahrheit«, sagte Nestor. »Sie sind eben genau wie der Nagual. Sie sind ernst und düster. Als der Nagual noch da war, hockten sie bei ihm und starrten aus halboffenen Augen in die Ferne, stundenlang, manchmal tagelang.«
    »Ist es wahr, daß Josefina früher einmal wirklich verrückt war?« fragte ich.
    »Ist ja zum Lachen!« sagte Pablito. »Was heißt früher einmal; sie ist noch immer verrückt. Sie ist die irrste Irre von der ganzen Bande.«
    Ich erzählte ihnen, was sie mit mir angestellt hatte. Ich glaubte, die Männer würden die spaßige Seite ihres großartigen Kunststücks anerkennen. Aber meine Geschichte löste anscheinend die falsche Wirkung bei ihnen aus. Sie lauschten wie verängstigte Kinder; sogar Benigno öffnete die Augen, um meinem Bericht zu lauschen.
    »Wuff!« rief Pablito. »Diese Hexen sind wirklich furchtbar. Und ihre Anführerin ist, wie du weißt, der Zweihundertzwanzig-Pfunds-Arsch. Sie ist's, die dir 'nen Stein an den Kopf wirft und die Hände hinterm Rücken versteckt und so tut, als war sie ein unschuldiges kleines Mädchen. Aber hüte dich vor ihr, Maestro.«
    »Der Nagual hat Josefina beigebracht, alles mögliche zu sein«, sagte Nestor. »Sie kann alles was sie will: weinen, lachen, wütend -werden - alles.«
    »Aber wie ist sie, wenn sie nicht schauspielert?« fragte ich Nestor. »Dann ist sie verrückt wie eine Fledermaus«, antwortete Benigno mit leiser Stimme. »Ich lernte Josefina gleich am ersten Tag kennen, als sie ankam. Ich mußte sie ins Haus tragen. Der Nagual und ich fesselten sie immer ans Bett. Einmal fing sie an zu weinen und schrie nach ihrer Freundin, einem kleinen Mädchen, mit dem sie immer gespielt hatte. Sie weinte drei Tage lang. Pablito tröstete sie und fütterte sie wie ein Baby. Sie ist genau wie er. Beide wissen nicht, wie sie aufhören sollen, wenn sie einmal angefangen haben.«
    Plötzlich begann Benigno in der Luft herumzuschnuppern. Er stand auf und ging zum Herd. »Ist er wirklich so schüchtern?« fragte ich Nestor. »Er ist schüchtern und ausgeklinkt«, antwortete

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