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Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Titel: Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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empfahl er mir, hinfort das Wasser zu meiden.
    »Wurde meine zweite Aufmerksamkeit durch das Wasser beschädigt?« fragte ich.
    »Ja«, erwiderte sie. »Du bist ein Mann, der sich gern gehenläßt. Der Nagual ermahnte dich zur Vorsicht, aber beim fließenden Wasser hast du deine Grenzen überschritten. Der Nagual sagte, du hättest dir wie kein andrer das Wasser zunutze machen können, aber es war eben nicht dein Schicksal, dich zu mäßigen.« Sie zog ihren Schemel näher zu mir heran. »Das ist alles, was ich über das Gaffen weiß«, sagte sie. »Aber es gibt noch andere Dinge, die ich dir sagen muß, bevor du gehst.«
    »Was denn, Gorda?«
    »Bevor ich dir das sage, mußt du vor allem deine zweite Aufmerksamkeit für die Schwesterchen und mich abrunden.«
    »Ich fürchte, das kann ich nicht.«
    La Gorda stand auf und ging ins Haus. Kurz darauf kam sie mit einem kleinen, festen runden Kissen zurück; es bestand aus der gleichen Naturfaser, aus der die Indianer dort Netze knüpfen. Wortlos führte sie mich wieder zur Veranda vor dem Haus.
    Dieses Kissen, so sagte sie, hatte sie selbst für sich gemacht, als sie das Gaffen lernte, denn beim Gaffen sei die Körperhaltung sehr wichtig. Dabei müsse man, erklärte sie, am Boden auf einem weichen Blätterteppich oder auf einem weichen Kissen aus Naturfasern sitzen. Mit dem Rücken müsse man sich gegen einen Baum oder einen flachen Stein lehnen. Der Körper müsse ganz entspannt sein. Die Augen dürfe man nie auf das Objekt fixieren, damit sie nicht ermüden. Das Gaffen bestand nun darin, daß man den Blick ganz langsam - im Gegensinn des Uhrzeigers - über den angegafften Gegenstand gleiten ließ, ohne den Kopf zu bewegen. Der Nagual, so erzählte sie, hatte ihnen befohlen, diese dicken Pfähle im Boden einzulassen, damit sie sich dagegen lehnen konnten.
    Sie wies mich nun an, mich auf ihr Kissen zu setzen und mich mit dem Rücken gegen einen der Pfähle zu lehnen. Sie sagte, sie wolle mich anleiten, einen Ort der Kraft anzugaffen, den der Nagual zwischen den runden Hügeln jenseits des Tales gehabt hatte. Indem ich ihn angaffte, so hoffte sie, würde ich die nötige Energie ansammeln, um meine zweite Aufmerksamkeit abzurunden. Sie setzte sich links neben mich und fing an mir Anweisungen zu geben. Flüsternd befahl sie mir, meine Augen halb geschlossen zu halten und eine Stelle anzugaffen, wo zwei riesige runde Hügel zusammenstießen. Dort befand sich eine enge, steile Schlucht. Diese besondere Art zu gaffen, so sagte sie, bestand aus vier verschiedenen Handlungen. Als erstes sollte ich mit meiner Hutkrempe die Sonnenstrahlen abschirmen, so daß nur eine minimale Lichtmenge in meine Augen fiel; dann sollte ich die Augenlider halb schließen. Der dritte Schritt bestand darin, meine Augenlider in dieser Stellung zu halten, um einen gleichmäßigen Einfall der Lichtstrahlen zu gewährleisten; und als vierten Schritt sollte ich, durch das Netz der Lichtfasern zwischen meinen Wimpern, im Hintergrund die Schlucht betrachten. Zuerst gelang es mir nicht, ihre Anweisungen zu befolgen. Die Sonne stand hoch am Himmel, und ich mußte den Kopf zurückbeugen. Ich schob den Hut in die Stirn, bis ich mit der Krempe fast das ganze Sonnenlicht abschirmen konnte. Mehr brauchte es anscheinend nicht. Kaum hatte ich die Augen halb geschlossen, als ein Lichtstrahl, der von der Krone meines Hutes auszugehen schien, buchstäblich auf meinen Wimpern explodierte; diese wirkten wie ein Filter, der ein Lichtnetz erzeugte. Ich hielt die Augen halb geschlossen und spielte eine Weile mit diesem Lichtnetz, bis ich im Hintergrund den dunklen, vertikalen Umriß der Schlucht erkennen konnte.
    Jetzt befahl la Gorda mir, den mittleren Teil der Schlucht anzugaffen, bis ich einen tief dunkelbraunen Fleck entdecken würde. Dies sei, so sagte sie, ein Loch in der Wand der Schlucht, erkennbar nicht für das schauende, sondern nur für das >sehende< Auge. Sie ermahnte mich, all meine Selbstkontrolle einzusetzen, sobald ich diesen Fleck ausgemacht hätte, damit er mich nicht anziehen konnte. Statt dessen sollte ich ihn wie durch ein Fernglas fixieren und angaffen. Wenn ich das Loch gefunden hätte, so sagte sie, sollte ich sie mit der Schulter anstoßen, um es sie wissen zu lassen. Sie rutschte zur Seite und lehnte sich gegen mich. Ich mühte mich einige Zeit, die vier Handlungen gleichmäßig zu koordinieren, und dann plötzlich bildete sich in der Mitte der Schlucht ein dunkler Fleck. Ich merkte gleich, daß

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