Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
mehr traute; ebenso weiß ich, daß mein Mädchen nun die Worte anhören mußte und die Vorwürfe, die sie erst über ihr kühnes Unterfangen nicht gehört hatte; ich weiß, daß ich gezwungen war, über meine Tränen sowie über die Farbe meines Gesichts zu wachen, um nicht die Fragen meiner Eltern zu erregen, was mir fehle, und ich dadurch gezwungen sei, Lügen zu erfinden. Doch hörte dies alles mit einem Schlage auf, denn ein solcher traf mich, der alle Rücksichten niederwarf und alle anständigen Reden beendigte, wodurch meine geheimsten Gedanken sich offenbar machten, und dies war, weil man nach einigen Tagen im Orte davon redete, wie sich Don Fernando in einer nahe gelegenen Stadt mit einer Jungfrau von äußerster Schönheit vermählt habe, die von vornehmen Eltern stamme, doch keine so reiche Mitgift besitze, daß sie eine so große Vermählung hätte erwarten dürfen; man nannte sie Lucinde, und erzählte noch mehr Dinge, die sich auf ihrer Hochzeit zugetragen hatten, die zum Verwundern waren.«
Cardenio hörte den Namen Lucinde, doch tat er nichts weiter, als daß er die Schultern zusammenzog, sich auf die Lippen biß, die Augenbrauen faltete und augenblicks darauf zwei Tränenströme seinen Augen entrollen ließ. Dorothea fuhr aber dennoch so in ihrer Erzählung fort: »Wie ich diese betrübte Zeitung vernahm, statt daß mir das Herz dabei hätte erfrieren sollen, so entzündete es sich vielmehr so in Zorn und Wut, daß wenig fehlte, ich hätte laut in den Gassen geschrien und die schändliche Treulosigkeit und Bosheit verkündigt; doch mäßigte ich noch für jetzt meine Wut, weil ich darauf dachte, das in der kommenden Nacht ins Werk zu richten, was ich auch tat, mir nämlich diese Tracht anzulegen, die ich von einem Hirten erhielt, einem Knechte meines Vaters, dem ich mein ganzes Unglück entdeckte, und ihn bat, mich bis nach der Stadt zu begleiten, in der mein Feind seinen Aufenthalt genommen hatte. Er, nachdem er mir erst meinen Vorsatz verwiesen und mir mein Unternehmen hatte verleiden wollen, mich aber entschlossen sah, versprach mir Gesellschaft zu leisten und mich, wie er sagte, bis an der Welt Ende zu begleiten. Sogleich packte ich in einen leinenen Beutel einen weiblichen Anzug nebst einigen Kleinodien und Geld auf alle Fälle, und ohne meinem verräterischen Mädchen ein Wort zu sagen, verließ ich das Haus in stiller Nacht, in Begleitung des Dieners und mannigfaltiger Vorstellungen, und machte mich zu Fuße auf den Weg nach der Stadt, von dem Vorsatze beflügelt, ihn zu finden, und wenn auch nicht zu hindern, was ich schon getan glaubte, doch wenigstens den Don Fernando zu fragen, mit welchem Herzen er es habe tun können.
In zwei und einem halben Tage gelangte ich, wohin ich wünschte, und sowie ich in die Stadt getreten war, fragte ich nach dem Hause, in dem die Eltern der Lucinde wohnten, und der erste, dem ich diese Frage tat, antwortete mir mehr, als ich zu hören wünschte; er gab mir Nachricht vom Hause und von allem, was sich auf der Hochzeit der Tochter zugetragen hatte; eine Sache, die in der Stadt so bekannt war, daß man an allen Orten laut davon redete. Er erzählte mir, wie an dem Abende, da Lucinde mit Don Fernando vermählt wurde, als sie das ja ausgesprochen, seine Gattin zu sein, sie von einer plötzlichen Ohnmacht befallen wäre; wie ihr Gemahl nun zu ihr gegangen, ihr die Brust frei zu machen, damit sie Luft schöpfen könne, habe er ein Blatt von Lucindens Hand gefunden, in welchem sie bestimmt erklärte, daß sie unmöglich die Gemahlin Don Fernandos sein könne, weil sie es schon vom Cardenio sei, der, nach dem Berichte dieses Mannes, ein vornehmer Ritter aus derselben Stadt war; daß sie dem Don Fernando ihr Jawort gegeben, habe sie nur getan, um ihren Eltern gehorsam zu sein; kurz, das Blatt enthielt nach seiner Erzählung solche Ausdrücke, daß man aus diesen begriff, sie habe den Vorsatz gehabt, sich selber umzubringen, sowie die Zeremonie beendigt gewesen. Zugleich hatte sie die Ursachen angezeigt, aus denen sie sich des Lebens berauben wollte; alles dieses soll auch ein Dolch bestätigt haben, den man in einem Teile ihrer Kleidung fand. Als dem Don Fernando dies alles kund wurde, und er meinte, von Lucinde hintergangen, verschmäht und verachtet zu sein, stürzte er auf sie zu, noch ehe sie aus ihrer Ohnmacht zurückgekommen war, und faßte den gefundenen Dolch, um sie zu erstechen, was er auch getan hätte, wenn ihn die Eltern und die übrigen, die zugegen
Weitere Kostenlose Bücher