Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
seine Worte, seine Seufzer seine Versprechen bekräftigten. Ich armes Kind, einsam unter den Meinigen aufgewachsen, schlecht geübt zu dergleichen Dingen, fing an, ich weiß nicht wie, alle diese Falschheit für Wahrheit zu halten, doch nicht so, daß ich zu einem anderen als erlaubten Mitleiden durch seine Seufzer und Tränen wäre bewogen worden. Darauf, als das erste Erschrecken vorüber war, sammelte ich wieder meine zerstreuten Lebensgeister, und mit mehr Festigkeit, als er vielleicht erwartet hatte, sagte ich zu ihm: ›Wenn ich so, Señor, wie ich mich in deinen Armen finde, in die Klauen eines wilden Löwen gefallen wäre und mich dadurch erretten könnte, daß ich etwas täte oder sagte, was meiner Tugend entgegen wäre, so wäre es mir ebenso unmöglich, das zu tun oder zu sagen, wie es mir unmöglich ist, nicht mehr das zu bleiben, was ich bis jetzt war. Drum, wenn du meinen Leib mit deinen Armen umgürtet hältst, so ist meine Seele mit Gesinnungen der Tugend umschlossen, die von den deinigen so verschieden sind, wie du es wahrnehmen sollst, wenn du Gewalt brauchen und sie auf diese Weise noch weiterführen solltest; ich bin deine Vasallin, aber nicht Sklavin; der Adel deines Blutes hat kein Recht, das meinige zu entehren oder es als ein niedriges zu verachten; als Landmädchen, als Bäuerin halte ich mich so gut, wie du dich als Herr und Ritter hältst; deine Stärke soll nichts über mich vermögen; deine Schätze sollen mich nicht blenden; deine Worte haben keine Kraft, mich zu täuschen; deine Seufzer werden mich nie bewegen. Sehe ich aber alles dieses an einem Manne, den meine Eltern mir zum Gatten bestimmt haben, dann will ich seinem Willen den meinigen unterwerfen, ja, mein Wille wird mit dem seinen ein und derselbe sein, so daß mich, wenn ich meine Ehre behielte, auch keine Reue quälen und ich dir dann, Señor, das freiwillig geben würde, was du mir jetzt mit Gewalt zu entreißen suchst; alles dieses sage ich, damit du nicht glauben mögest, daß irgend jemand etwas von mir erlange, der nicht mein rechtmäßiger Gemahl ist.‹
›Wenn dir nur dies Bedenken macht, schönste Dorothea‹ – denn so ist der Name dieser Unglücklichen –, sagte der unedle Ritter, ›so reiche ich dir hiermit die Hand, der Deinige zu sein, und von der Aufrichtigkeit dieses Versprechens sei der Himmel Zeuge, dem nichts verborgen bleibt, und dies Bildnis der Mutter Gottes, das du hier hast.‹«
Als Cardenio vernahm, daß sie Dorothea heiße, ward er von neuem verwirrt und war nun von der Richtigkeit seiner ersten Vermutung überzeugt; er wollte aber die Erzählung nicht unter brechen, um den Ausgang zu erfahren, den er fast schon wußte, er sagte nur: »Wie, Señora, dein Name ist Dorothea? Ich habe schon sonst diesen Namen von einer erfahren, die fast mit dir ein gleiches Elend erduldete; doch fahre fort, mit der Zeit will ich dir Dinge sagen, die dich nicht weniger erstaunen als betrüben werden.«
Dorothea erstaunte über diese Rede des Cardenio sowie über seinen sonderbaren und kläglichen Aufzug und bat ihn, wenn er etwas von ihrem Schicksal wisse, es ihr sogleich zu sagen; denn wenn das Glück ihr etwas Gutes gelassen, so sei es der Mut, den sie fühle, jeder Kläglichkeit, die ihr begegnen möge, zu trotzen, da sie gewiß sei, daß keine sie erreichen werde, die diejenige, welche sie schon bedrücke, im mindesten vermehren könne.
»Ich werde«, antwortete Cardenio, »das nicht vergessen, Señora, was ich dir sagen wollte, wenn meine Einbildung nämlich Wahrheit ist; es ist aber jetzt noch nicht Zeit und nutzt dir noch nicht, es zu erfahren.«
»Es sei, was es wolle«, antwortete Dorothea, »um in meiner Erzählung fortzufahren, so nahm Don Fernando ein Bildnis, welches sich im Zimmer befand, und rief es zum Zeugen unserer Vermählung an, mit herzerschütternden Worten und unter furchtbaren Schwüren tat er mir das Versprechen, mein Gemahl zu sein; ehe er aber seine Rede vollendete, bat ich ihn noch einmal, wohl zu überlegen, was er tue, zu bedenken, wie sein Vater zürnen werde, wenn er ihn mit einer Bürgerlichen, seiner Vasallin, verbunden sähe. Meine Schönheit würde diesen nicht verblenden, denn sie sei nicht groß genug, seinen Fehler zu entschuldigen; wünsche er aus Liebe zu mir mein Bestes, so müßte er mein Geschick so eben fortlaufen lassen, wie es mein Stand mit sich bringe; denn solche ungleiche Heiraten brächten nie Freude, auch dauere die Lust nie lange, mit der sie begonnen
Weitere Kostenlose Bücher