Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
seinen Herrn alsbald, welcher, da er sich bewaffnet sah, sprach: »So gehen wir denn im Namen Gottes, uns dieser großen Dame gefällig zu erweisen!«
Der Barbier lag noch auf den Knien und gab sich alle Mühe, sein Lachen zu verbergen und den Bart nicht fallen zu lassen, mit dessen Fall vielleicht die gute Absicht aller durchaus gescheitert wäre, und da er nun sah, daß die Gabe schon gewährt sei, und daß Don Quixote sich in größter Eile fertigmache, die Bitte auszurichten, erhob er sich, faßte seine Dame bei der anderen Hand, und beide halfen ihr auf den Maulesel. Sogleich bestieg Don Quixote den Rosinante, der Barbier setzte sich auf seinem Tiere zurecht und Sancho blieb zu Fuß, wobei sich der Schmerz über den Verlust und die Entbehrung des Grauen erneuerte: aber dennoch trug er alles mit Freudigkeit, denn er meinte nun, sein Herr sei auf dem geraden Wege und dicht am Ziele, Kaiser zu werden; er zweifelte gar nicht, daß er die Prinzessin heiraten und so zum wenigsten König von Mikomikon werden möchte. Nur dieses machte ihm Nachdenken, daß das Königreich im Lande der Neger liege, und daß also alle die Menschen, die ihm als Vasallen untergeordnet würden, auch Neger sein müßten; wogegen er aber sogleich ein gutes Mittel ersann und so zu sich selber redete: »Was geht’s mich denn an, ob meine Vasallen Neger sind? Ich kann sie ja nur zusammenpacken und nach Spanien bringen und sie gegen bares Geld verkaufen; für das Geld kann ich mir dann eine Herrschaft oder sonst ein Amt anschaffen, worin ich ohne Sorgen die übrige Zeit meines Lebens ausdauern kann: wenn ich Kopf und Verstand habe, so ist es ein leichtes, die Sachen einzurichten, und wenn ich dreißig- bis vierzigtausend Vasallen verkaufe, so wird es mir gut schmecken. Wahrhaftig, verkaufen will ich sie groß und klein, wie sie der Hirt zum Tore hinaustreibt, und wenn sie auch kohlschwarz sind, so sollen sie sich unter meinen Händen in Blanke und Gelbe verwandeln! Alle fünf Finger will ich danach lecken.«
Mit diesen Gedanken beschäftigt, ging er so zufrieden einher, daß er den Verdruß vergaß, zu Fuß reisen zu müssen. Cardenio und der Pfarrer sahen zwischen einigen Schlüften hindurch alles und wußten nicht, wie sie es anfangen sollten, um sich mit ihnen zu vereinigen. Der Pfarrer aber, der leicht Anschläge ersinnen konnte, hatte bald etwas ausgefunden, um ihren Vorsatz zu vollbringen, er schnitt nämlich mit einer Schere, die er in einem Futteral mit sich führte, dem Cardenio eiligst den Bart ab und zog ihm einen grauen Rock an, den er trug, und hing ihm einen schwarzen Mantel um, er selbst aber blieb in Kamisol und Beinkleidern; Cardenio aber war dadurch mit einem Male so verwandelt, daß er sich selbst nicht gekannt haben würde, wenn er sich in einem Spiegel betrachtet hätte. Als dies geschehen war, obgleich die anderen während der Verkleidung ihren Weg fortgesetzt hatten, konnten sie sich doch leicht noch früher als diese auf den großen Weg machen, denn die Abgründe und Umwege dieser rauhen Gegenden erlaubten denen, die zu Pferde reisten, nicht, so schnell fortzukommen, wie es die konnten, die zu Fuße waren. Sie stellten sich hierauf in die Ebene am Eingange des Gebirges, und wie Don Quixote mit seinem Geleite herauszog, betrachtete ihn der Pfarrer eine lange Weile, machte dann Zeichen, als wenn er ihn erkenne, und nachdem er lange genug gezaudert hatte, ging er mit ausgestreckten Armen auf ihn zu und rief mit lauter Stimme: »Vielmals gegrüßt sei mir der Spiegel der Ritterschaft, mein wackerer Landsmann Don Quixote von la Mancha, die Blume und der Ausbund des Edelmuts, die Hilfe und Stütze aller Hilfsbedürftigen, die Quintessenz der irrenden Ritter!« Mit diesen Worten umfaßte er den linken Schenkel des Don Quixote am Knie. Dieser, erstaunt über das, was er von diesem Manne sah und hörte, fing an, ihn mit großer Aufmerksamkeit zu betrachten, und endlich erkannte er ihn, blieb aber wie erstaunt, ihn zu sehen, und gab sich die größte Mühe, vom Pferde zu steigen; doch der Pfarrer gab es nicht zu, worauf Don Quixote sprach: »Laßt mich, wertgeschätzter Herr Lizentiat; denn unbillig ist es, daß ich zu Pferde sei, und eine so ehrwürdige Person wie Ihr zu Fuße gehen müsse.«
»Auf keine Weise werde ich dieses zugeben«, sagte der Pfarrer, »bleibe mein durchlauchtigster Herr zu Pferde; denn zu Pferde ist es, wo dieselben die größten Taten und Abenteuer unternehmen, die in unserem Jahrhunderte gesehen worden;
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